Recht und Moral

Counter233 - Mo 28 Sep, 2009 7:36 pm
Titel: Verhältnis von Recht und Moral

Hallo liebe Forummitglieder... 

Ich habe von meiner Ethiklehrerin eine schwierige Aufgabe zum lösen bekommen... Dabei muss ich alle 3 Fragen beantworten und ich hab echt riesige Probleme damit... Ich hoffe ihr könnt mir bei diesen Aufgaben behilfreich sein.

Vorallem habe ich Schwierigkeiten bei der 2.Aufgabe...hier bräuchte ich echt Tips, weil ich das überhaupt nicht verstehe.

Zu 1. bräuchte ich nur ein paar Tips zu den Meinungen von Hans Kelsen....Gustav Radbruch denke ich, habe ich soweit ganz gut verstanden, nur halt Kelsens Position ist schwierig...Könntet natürlich auch noch kleine Hinweise zu Radbruchs Position geben.

Und dann wäre noch interessant zu wissen, was ihr von den beiden Posionen haltet (vllt mit Begründung...) Ich hoffe ihr könnt mir helfen und ich wäre euch sehr dankbar...Ist leider echt dringend, am Donnerstag brauch ich das schon... 

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redaktion - Di 29 Sep, 2009 2:49 am

Mein Rechtslehrer Prof.Heinz Wagner, FU Berlin und inzwischen emeritiert, variierte Goethe: "Der Positivist hat die Teile in der Hand, aber ihm fehlt das geistge Band."

Hans Kelsen möchte sich damit behelfen, dass es zur Normgeltung ihrer Herleitung aus einer Grundnorm in durch sie bestimmter Weise genüge. Aber seine "bestimmte Weise" bleibt so unbestimmt, wie das "gewisse Etwas" zumeist ganz Ungewisses ist, sonst hätte es jeder.

Die juristische Methodenlehre ist recht komplex, historisch und logisch "bestimmt", aber niemals ist ein Imperativ ohne den Imperator und bloß aus formalem System. Wer sich dennoch vom eher Technischen im Übermaß faszinieren lässt, kann schon mal den "bloß" demokratischen Gesetzesdiskurs für überflüssige Einmischung halten, als könne die Rechtswissenschaft nicht nur Rechtswissen, sondern in Forschung und Lehre frei wahres Recht aus sich selbst heraus schaffen und wäre per se rechtschaffend: "Formaljuristisch einwandfrei", was die Moral allenfalls jammern, nicht aber ändern könne: Rechtstaat sei ein Staat, der sich an Gesetze binde; das schaffe Rechtssicherheit usw. 

Solch Rechtsstaat von Positivisten ist indes bloß "Gesetzesstaat" und eben durchaus ein Unrechtsstaat, je mehr das Formaljuristische in Widerspruch zur allgemeinen Moral gerät. 

Kelsens Behauptung, auch die ungerechte Zwangsordnung als Rechtsordnung gelten lassen zu müssen, klingt ketzerisch kühn, aber er würde dieser Auffassung nicht lange die Stange halten, wenn er mit grünen Augen ein Gesetz zu lesen bekäme, welches Grünäugigen zu küssen verbietet, weil alle heutige Norm [i]auf bestimmte Weise[/i] aus einer Grundnorm folge, die Blauäugige privilegiere. Schon wäre Kelsen mit seinem Latein am Ende, wenn die Grundnorm nicht auch ihren Grund - und zwar für ihn akzeptabel verrät. Sein positives Recht wäre Religion und würde auf Dauer allenfalls Blauäugigen gelten.

Die allgemeine Moral ist das "geistge Band", wenngleich es ein zeitgeistiges ist, eine Vereinbarung, die ohne Irrtum, Betrug oder Diktatur nicht an Kants kategorischem Imperativ vorbei kommen kann. Die Zeitgeister mögen müde sein oder faul, aber solange noch Atem ist, ist Hoffnung gegen Benachteiligung, wenn auch im Widerstreit mit der Hoffnung auf Privilegien.

Dieser Widerstreit erscheint mir im eigentlichen Sinne "naturrechtlich" und bleibt mir schon deshalb als rechtsphilosophischer Begriff suspekt, humanistisch mehr in die Irre als zielführend, denn Sinn des Rechts ist es, durch Kultur die Natur des Menschen und seiner Horden zu zügeln

Die Natur gewährt kein Recht, allenfalls Möglich- und Widrigkeiten. Der Mensch mag und muss daraus Rechte ableiten, denn aus Übermaß, Konkurrenz und Rücksichtslosigkeiten erwachsen sonst Schwierigkeiten.

Die Ausführungen Gustav Radbruchs beachten den Gerechtigkeitswert, aber geraten zum unlogischen Kompromiss mit Kelsen in der Passage, wo er von "Rechtssicherheit" im Unrechtsregime spricht, während es logisch eine "Unrechtssicherheit" mit zwar nicht täglich anderer Willkür ist, sondern einer Willkür im Ursprung, die im Unrechtsregime wirksam bleibt. 

Recht kann nicht auf Unrecht gründen, wie auch Unrecht nicht auf Recht, sondern es wären neue Kapitel, entweder bessere oder schlechtere, wie nicht immer leicht zu erkennen. 

Und Recht kann ohne Moral nicht bestehen, weil die Moral das Wesen des Rechts ist, sondern wäre Unrecht, dessen Wesen die Willkür ist.
 
Markus Rabanus    


Anonymous - 21/10/2009, 10:38

Der Text ist gut und richtig, aber: meint unser Gebrauch von "Rechtsstaat" nicht eigentlich "Gesetzesstaat"? Es ist ja doch so, dass Recht das ist, was sich nötigenfalls mit Gewalt durchsetzen lässt, erstmal unerheblich ob es auch dem Adjektiv nach recht ist; und ist ein ausreichender Konsens dann gegeben, wenn eine Revolte ausbleibt?

redaktion - 21/10/2009, 13:16
Rechtsstaat oder Gesetzesstaat
Anonymous hat folgendes geschrieben:
meint unser Gebrauch von "Rechtsstaat" nicht eigentlich "Gesetzesstaat"?

Unser Rechtsstaat ist insoweit Gesetzesstaat, weil staatliches Handeln nur auf Basis von Ermächtigungsnormen formalrechtens ist und natürliche, juristische Personen die staatlichen Gebote und Verbote einhalten müssen.
Diese Formalrechtlichkeit ist zwar für die Rechtssicherheit als Aspekt der Rechtsstaatlichkeit unentbehrlich, aber kann niemandem genügen.

Darum weist sich unser Gesetzesstaat mit dem Grundgesetz ausdrücklich selbst in die Schranken, indem er alle Gesetze unter den ausdrücklichen Geltungsvorbehalt des Grundgesetzes stellt, ob sie mit den Rechtszielen einer demokratischen, sozialen und freiheitlichen Gesellschaftsordnung vereinbar sind.
Aus diesem Grund bedarf es beispielsweise im Zivilrecht sogenannter "Generalklauseln" (z.B: §242 BGB) als Korrektiv, damit allgemeine Auffassungen und gute Bräuche (Zeitgeist) richterlich vertreten in Urteile einfließen können.
Strafrechtlich kann/darf es solche Generalklauseln (=Urteilsspielräume) nur hinsichtlich der Schuldhaftigkeit und Strafzumessung geben.

Dass der Rechtsstaat mehr als bloßer Gesetzesstaat ist, wird auch bei der Freiheitlichkeit augenfällig, wonach die Freiheit zu individuellen und kollektiven Rechtsvorstellungen/Moralvorstellungen als konkurrierende Weltanschauungen samt Praxen garantiert wird, sofern diese nicht selbst auf die Beseitigung des Pluralismus hinwirken, der die Grundlage solcher Freiheit ist.
Anonymous hat folgendes geschrieben:
Es ist ja doch so, dass Recht das ist, was sich nötigenfalls mit Gewalt durchsetzen lässt, erstmal unerheblich ob es auch dem Adjektiv nach recht ist;

Damit es erheblich ist, wie es das sein sollte, muss zwischen "formalrechtens" und "rechtens" unterschieden werden.

Dass es aus Gründen der Funktionalität vorläufige Vollstreckbarkeiten, einstweilige Verfügungen usw. geben muss, steht nicht dagegen, soweit Rechtsmittel eingeräumt werden, um die aus unrechtmäßigen Vollstreckungen erfolgten Nachteile weitestmöglich zu kompensieren. Nebenbei: Deshalb scheidet mir beispielsweise die Todesstrafe als Urteil aus.
Anonymous hat folgendes geschrieben:
und ist ein ausreichender Konsens dann gegeben, wenn eine Revolte ausbleibt?

Jeder Rechtsfrieden steht in Abhängigkeit vom Konsens, dass widerstreitende Interessen nicht im Wege der Selbstjustiz geltend gemacht werden dürfen, also dem Staat - oder international dem Weltsicherheitsrat - das Gewaltmonopol zusteht, es sei denn, dass sich diese Einrichtungen selbst der friedlichen Geltendmachung von Interessen und Rechten entgegen stellen. Weil unsere Eltern/Großeltern mit dem NS-Staat exakt solche Erfahrungen machten, enthält das Grundgesetz den Art.20 mit dem Widerstandsrecht. Solch Widerstand steht dann ebenfalls unter dem Vorbehalt tatsächlicher Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit (z.B. Menschenrechtlichkeit) und Verhältnismäßigkeit, sonst wäre das Widerstandsrecht eine Ermächtigungsnorm für Extremismus und Terrorismus.
Folglich ist die Größenordnung der Revoltierenden nicht maßgeblich für die Unterscheidung guter und schlechter Gesetze, sondern die Gesamtumstände.

Markus Rabanus         >> DISKUSSION 



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