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Hitler. Eine politische Biographie  von Ralf Georg Reuth
Aus der Amazon.de-Redaktion
Der Historiker und Journalist Ralf Georg Reuth ist nicht der erste Hitler-Biograf. Vor allem die Arbeiten von
Joachim Fest und Ian Kershaw haben hier Maßstäbe gesetzt. Weshalb also hat sich Reuth die Fleißarbeit auferlegt, noch einmal eine fast 700-seitige Hitler-Biografie vorzulegen? Eine schlüssige Antwort auf diese Frage fällt auch nach der Lektüre des Buches schwer.

Was das Faktengerüst angeht, so liefert Reuth zunächst eine weit gehend solide Ereignisgeschichte ab, die aber wenig Neues enthält. Die geläufigen Stationen in Hitlers Leben werden detailliert beschrieben: die frühen Jahre in Wien und München, die Teilnahme am Ersten Weltkrieg, die Zeit der Weimarer Republik mit dem Aufstieg der NSDAP zur Massenbewegung und schließlich, nach 1933, Hitlers Handeln als "Führer und Reichskanzler". Dabei legt Reuth den Schwerpunkt auf die Außen- und Kriegspolitik. Die innere Entwicklung im Dritten Reich und der Holocaust interessieren ihn nur am Rande, obwohl sie für das Verständnis Hitlers und des Nationalsozialismus zentral sind.

Enttäuschend fallen Reuths historische Interpretationen aus, die sich nicht immer auf dem aktuellen Stand der Forschung befinden. Für den Erfolg Hitlers macht der Autor vor allem die unverarbeitete Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg sowie die "ungeheuerlichen" psychologischen Folgen des Versailler Vertrages verantwortlich. Vieles andere, wie etwa die Rolle des Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft oder die wirtschaftliche Situation, lässt der Autor weit gehend außer Acht. Zudem erscheint bei Reuth allein Hitlers "Wahn" als Motor des Geschehens: Der "Führer" befahl, alle anderen folgten. Dadurch ignoriert der Autor das komplexe Wechselspiel zwischen Hitler und der Gesellschaft: Schließlich wurden Hitlers verbrecherische Ziele von vielen in Partei, Militär, Industrie oder Verwaltung geteilt und mit vorangetrieben.

Allein durch die Konzentration auf Hitler kann Reuth das Funktionieren des Nationalsozialismus nicht erklären und verkennt die Mitverantwortung von Millionen von Deutschen. Wie man Personen- und Gesellschaftsgeschichte auf herausragende Weise verbinden kann, zeigt dagegen die zweibändige Hitler-Biografie von Ian Kershaw, die Reuths Buch bei weitem übertrifft, allerdings deutlich umfangreicher ist.

Christoph Peerenboom

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