SEW  Sozialistische Einheitspartei Westberlin

Die SEW war eine Partei, in der sich viele nette und weniger nette Leute ("Genossinnen und Genossen") engagierten oder einfach nur Karriere machten. 

Bei Wahlen kam sie selten auf nennenswerte Resultate. Einzig an den Hochschulen konnte sie in ihrer Bündnisorganisation ADS (= Aktionsgemeinschaft von Demokraten und Sozialisten) über viele Jahre recht gut abschneiden. - Eine wirkliche "Bündnisorganisation" war die ADS jedoch nicht, sondern eher eine "Vorfeldorganisation", denn die ihre Politik entwickelte sie in keinem Zeitpunkt meiner Mitwirkung unabhängig von der SEW. 

Daraus sollte jedoch der SEW kein Vorwurf gemacht werden, denn es ist legitim für jede Partei, sich "Vorfeldorganisationen" zu schaffen.

Wie sehr die SEW ihrerseits von ihrer großen Schwester SED abhing, mochten sich viele ihrer Mitglieder nicht eingestehen, insbesondere solche GenossInnen nicht, die sich in Berlin-West so sehr für sozialistische Politik abrackerten.

Wem es bewusster war, schönte sich die Abhängigkeit als "internationale Solidarität", was die politische Situation dieser "Sonderstatus"-Großstadt in ihrer Teilung perfide unterstrich und das Teilungsproblem auf eine "Klassenfrage" reduzierte.

Die SEW war von der SED nicht nur in hohem Maße finanziell, sondern zugleich politisch und ideologisch abhängig.

Das zeigte sich in allen Fragen zur Politik, so auch in Fragen der "friedlichen Kernenergie-Nutzung", der Mittelstreckenraketen der Sowjetunion ("SS-20") und in der Propaganda ihrer Tageszeitung "Die Wahrheit", die noch wenige Tage vor dem Zusammenbruch des DDR-Regimes umbenannt wurde.  Obwohl bei diesen Beratungen dabei, weiß ich heute nicht mehr, wie sie dann hieß. Aber ich glaube mich zu erinnern, dass sie in "Neue Sozialistische Zeitung" umbenannt wurde, was mir jedoch wiederum missfiel, weil das Kürzel "NSZ" widerliche Assoziationen an das NS-Regime weckt. Aber so war diese Partei: geschmacklos im Großen, geschmacklos im Detail.

Die politische Abhängigkeit war also zugleich für das Verhältnis zur KPdSU gegeben, aber nur bis 1985, denn Gorbatschow gelang es nie, die SED auf seinen Reformkurs zu bringen.  Ihm fehlte schon der Einfluss im eigenen Land, so dass sich all der Wandel eher spontan aus sich breit machendem Glaubwürdigkeitsverlust ergab.

Wieso konnte man ihr Mitglied, ihr Funktionär sein?:

1. Weil die Uhren an den Hochschulen und auch in vielen Betrieben anders tickten als in der Partei-Spitze: intellektueller, radikaler, angeblich weltfremder, wobei doch eigentlich auf die wichtigsten Menschheitsprobleme konzentriert: Frieden, Frieden, Frieden und eher seltener "Sozialismus", weil er zumindest in Berlin-West "nicht auf der Tagesordnung stand" - so realistisch war man immerhin.

2. Und selbst in der Partei-Spitze gab es Leute, mit denen sich wohlwollende Menschen identifizieren konnten und deshalb zu vielen Gewissenskompromissen bereit waren.  Aber die Partei-Geschichtsschreibung sollte auch nicht übersehen, dass TAUSENDE der Partei den Rücken kehrten oder ausgeschlossen wurden, weil ihnen die Kompromisse Verrat an sozialistischen Vorstellungen waren.

3. weil man in der politischen Auseinandersetzung erlebte, wie ähnlich Strukturen und Probleme in den anderen Parteien waren, so sehr sich die Parteien in der Öffentlichkeit als "Alternativen" darstellen.

"Es war also (für mich) auszuhalten - und zwar besser als anderswo."  Diese Erinnerung ist stark erklärungsbedürftig und ich werde es bei Gelegenheit ausführlich tun.

Die Kompromisse waren zudem "ideologisch erklärbar": Jeder Fehler galt als "Widerspruch", der quasi spontan dem "Hauptwiderspruch", dem "Klassenwiderspruch" geschuldet sei, also von eigener Verantwortung ablenkte.  

Entschuldigungen sind des Sünders liebstes Kind.  
Mehr noch: Man war darin "schöpferisch"  und damit subjektiv "revolutionär".

sven200311

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