offener-Brief.de  

 zu den Gewaltphantasien eines Innenministers    Artikel verschicken  KLICK

Folter?    Wer, wen und wie?

Brandenburgs Innenminister fordert, dass "wenn durch Terroristen eine Gefahr für eine Vielzahl von Menschen drohe, auch über Folter nachgedacht werden müsse." (Quelle OTS v. 25.02.2003)

Hallo Herr Schönbohm,

wir möchten Ihr "Nachdenken" nicht dem Zufall überlassen und schon gar nicht erst Momente abwarten, in denen Sie sich im Interessenkonflikt zwischen niederen und höheren Rechtsgütern sehen.

Sie kennen das Mittelalter, hörten von den Folterkellern der Nazis? - Übrigens waren "höherwertige Rechtsgüter" schon immer die Rechtfertigung der Folterer. Was wollen Sie besser machen als die Folterer von gestern und anderswo?

Werden wir pragmatisch.  

Angenommen, Sie und Ihre Gesinnungsgenossen relativieren das bislang absolute Folterverbot auf parlamentarischem Weg für bestimmte Täterkreise.  -  Vor einer Gesetzesänderung sollten Sie auf keinen Fall foltern, denn das Folterverbot gilt auch für Ihre Dienststuben. Sollten Sie sich da in der Auslegung vermessen und gegen das Gesetz verstoßen, würden wir nicht Ihren "Rücktritt" fordern, sondern ein Strafverfahren.  Wir würden öffentlich darauf drängen, dass Sie auf längere Zeit Verwahranstalten von innen besehen.
  

Das Fallbeispiel zum "Nachdenken":

In einem deutschen Forschungsinstitut lagern Pocken-Kulturen. Das Labor befindet sich meines Wissens sogar im Bundesland Ihrer Amtstätigkeit.

Der Labor-Mitarbeiter Dr.nat.rer.usw. Klaus-Dieter P. (46 Jahre, geschieden, zwei Kinder,  alles normal bis November 2002) leidet unter einer intelligent verborgenen Psycho-Macke. Verschiedentlich zog er im Glauben vor Gericht, irgendetwas entdeckt zu haben, aber unterlag in sämtlichen Prozessen irgendwelchen Professoren, die seine Vorgesetzen waren. In der Forschung nicht Neues.  Klaus-Dieter will einmal wichtig sein  oder er braucht einfach nur Geld und will es erpressen. 

Es ist Dienstag. Die Sonne scheint, Ihre neuesten Einfälle sind in allen Nachrichten und die Intellektuellen im Land kochen vor Wut.  Der Kaffee schmeckt.  Da flattert ein Schreiben auf Ihren Schreibtisch, in dem es mit aufgeklebten Lettern heißt:

"Eine Mrd. Euro in kleinen Scheinen ohne fortlaufende Seriennummern und Potsdam bleibt gesund.   Ihr Pocken-Meister RegZ HMzI-04dd2e"

Schnell finden Ihre Experten heraus, dass in dem Institut die bezeichnete Pocken-Kultur verschwunden ist. Sie prüfen die Finanzlage. Ungern, denn wer möchte schon Erpresser bezahlen. Brandenburg ist in Geldnot und Sie entschließen sich zur umfassendsten Verbrecherjagd, die in solchen Fällen ohne Alternative ist. Erfreulich rasch gelingt einem Sonderkommando die Festnahme und der Mann wird ihnen vorgeführt. 

Ihre Leute machen es zunächst konventionell: "Nun sagen Sie doch schon, wo die Pocken-Dinger abgeblieben sind! Sie könnten dadurch Ihre Situation im Strafverfahren erheblich verbessern!"

Klaus-Dieter sagt jedoch: "Wenn ich nicht binnen zwei Stunden wieder auf freiem Fuß bin, dann zerstört ein Zeitzünder den Pocken-Behälter und das Unheil nimmt seinen Lauf."

Nun drohen Sie ihm entsprechend den neuen Verfahrensvorschriften in folgender Weise:  "Wir weisen Sie ein letztes Mal darauf hin, dass durch Sie ein höheres Rechtsgut in akuter Gefahr ist.  Im Falle fortgesetzter Aussageverweigerung werden Sie durch Folter zum Reden gebracht."

Der Erpresser sagt Ihnen nüchtern wirkend: "Wenn Sie zu lange experimentieren, ist es für Potsdam zu spät."

Was würden Sie tun?  "Die Zeit läuft ab."  Ihn freilassen oder mit ein paar zuverlässigen Polizisten in die Folter-Einrichtung schicken?  
 
Angenommen, Sie entscheiden sich für Foltermaßnahmen,  denn höhere Rechtsgüter stehen auf dem Spiel und glücklicherweise haben Sie schon heute mit dem Nachdenken begonnen, welche Methoden in dieser knappen Zeit zur Anwendung kommen:
 
Zwanzig Ohrfeigen? Nadeln ins Nagelbett stechen? Das Glied elektrisch anwärmen? Was schwebt Ihnen vor?

Der Gefolterte darf keinesfalls sterben, ansonsten erfahren Sie nie, was Sie möchten. Also sollten Sie einen Arzt hinzuziehen.  Der wird sich leicht finden, denn dem Genfer Gelöbnis  fühlt sich längst nicht jeder Weißkittel verpflichtet - und höhere Rechtsgüter stehen auf dem Spiel.
Der Arzt sorgt dafür, dass der Erpresser lebt und bei Bewusstsein bleibt, denn das geht zuweilen unter Schmerzen verloren. Moderne Pillen erleichtern das Arbeiten.

Ihre Folter erweist sich als effektiv. Der Erpresser beginnt zu reden. Das hatten Sie erwartet.

Der Erpresser sagt: "Die Pocken-Kulturen waren mir zu gefährlich. Ich vernichtete sie schon im Labor."

Was nun, Herr Schönbohm? Hohe Rechtsgüter stehen auf dem Spiel. Werden Sie ihm glauben oder die nächste Folterstufe aktivieren? Hohe Rechtsgüter ... Wenn er die Wahrheit sagt, dann ... aber wer weiß und hohe Rechtsgüter stehen auf dem Spiel. Kann es auf seine Rechte noch ankommen? Wenn riesig große Rechtsgüter auf dem Spiel stehen?

Das Problem aller Folterer ist geradezu zwangsläufig: sie pervertieren in nicht minderem  Maße wie sie von demjenigen meinen annehmen zu dürfen, den sie foltern.

Herr Schönbohm, ist das Thema nun vom Tisch oder muss ich fortfahren?

Grüße von Sven Möller
Redaktion INTERNET- JOURNAL         

Anmerkung:  Das politische Problem mit Herrn Schönbohm

Niemand wird von ihm den Rücktritt verlangen, denn das käme dem Auseinanderbrechen der Großen Koalition in Brandenburg gleich.  Die SPD hätte von Neuwahlen gegenwärtig nichts zu erwarten.  Die CDU wiederum wird nicht ihren eigenen Mann zum Rücktritt zwingen. - Schönbohm hat Narrenfreiheit. - Wir sollten ihm auf die Finger schauen und seiner Polizei, denn wer im politischen Geiste so daneben ist, der ist es auch eher in der politischen Praxis.

Strafe     Folter allgemein        DISKUSSION

Artikel verschicken  KLICK

 

Offener-Brief.de  

DISKUSSION
Auswahl vorheriger Ausgaben

DIALOG-LEXIKON

zum Thema Irak an ein  irakisches Kind 20030208

zum Thema Irak an  Michel Friedman

zum Thema Irak   an Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm

zum Thema Irak   an Außenhandelsfunktionär  Anton Börner