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Welt-Impf-Bericht 2002 - UNICEF: Jedes vierte Kind ohne Impfschutz

15.11.2002:
Jedes Jahr sterben über zwei Millionen Kinder an Infektionskrankheiten, weil sie nicht geimpft wurden. Weltweit wird jedes vierte Neugeborene nicht gegen die gefährlichsten Kinderkrankheiten geimpft, die meisten davon in den Entwicklungsländern. Damit bleiben jährlich rund jährlich 36 Millionen Kinder ohne Impfschutz. UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnen in ihrem "Welt-Impf-Bericht 2002" vor einer wachsenden Impfkluft zwischen den reichen Industrienationen und den Entwicklungsländern. Im südlichen Afrika erhalten sogar nur die Hälfte der Kinder Impfschutz gegen Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus, Kinderlähmung oder Masern. In armen ländlichen Gebieten liegt die Impfrate nur noch bei 20 Prozent. Gleichzeitig sind Kinder in den ärmsten Ländern weitgehend vom medizinischen Fortschritt bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten ausgeschlossen: Für sie sind neue Impfstoffe gegen Gelbsucht (Hepatitis B) und den wichtigsten Erreger von Hirnhautentzündung bei Kleinkindern (Haemophilus Influenzia Typ B (HiB)) praktisch nicht zugänglich. Weltweit sind armutsbedingte Krankheiten wie Tuberkulose und Malaria auf dem Vormarsch.

"Impfen ist die kostengünstigste Investition in die Gesundheit der Kinder", sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Carol Bellamy. "Kein Kind auf der Welt darf heute mehr an einer Krankheit sterben, gegen die es Impfstoffe gibt." UNICEF ruft dazu auf, die Entwicklung, Produktion und Verbreitung von Impfstoffen für Entwicklungsländer zu verstärken. Impfkampagnen retten jedes Jahr bereits das Leben von 2,5 Millionen Kindern.

Der Welt-Impf-Bericht 2002 zum Download (PDF, 2,9 MB, in englischer Sprache)

Stiche, die Leben retten - Reportage über eine Impfkampagne in Afghanistan

Die Impfkluft wächst

Durch groß angelegte Impfprogramme gelang es zwar, in den vergangenen 25 Jahren die Impfraten gegen die gefährlichsten Kinderkrankheiten von fünf auf 75 Prozent zu steigern. Doch sind die Erfolge sehr ungleich verteilt. Insbesondere arme Kinder in den ländlichen Regionen der Entwicklungsländer werden bis heute von den Impfprogrammen nicht erreicht. 45 Prozent aller Todesfälle bei Kindern aufgrund von Diphtherie, Masern, Tetanus oder Polio – so der Bericht von UNICEF und WHO – entfallen auf die ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung. Die Impfkluft zwischen Nord und Süd ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten sogar weiter gewachsen. Dies hat unterschiedliche Ursachen:

Fehlende Investitionen: Die ärmsten Entwicklungsländer geben im Jahr durchschnittlich nur sechs Euro pro Person für die Basisgesundheitsversorgung ihrer Bevölkerung aus. Oft fließt ein Vielfaches dieser Summe in den Schuldendienst. Die Gesundheit der Armen hat vielerorts auch keine politische Priorität. Die Folge: Gesundheitsstationen verfallen, es fehlen Medikamente und technisches Gerät. Das Gesundheitspersonal ist oft nur unzureichend ausgebildet.

Teure Impfstoffe: Die meisten armen Länder können sich die neuen, lebensrettenden Impfstoffe gegen Hepatitis B, Haemophilus Influenzia Typ B (HiB), Gelbfieber und Röteln nicht leisten und sind auch mit deren Handhabung überfordert. Allein an Hepatitis B sterben jedes Jahr 520.000 Menschen, Haemophilus Influenza Typ B tötet jährlich 450.000 Kinder.

Geringe Gewinne: Weil die Märkte in den Entwicklungsländern nur geringe Gewinne abwerfen, investieren Pharmaunternehmen kaum in die Forschung und Entwicklung wirksamer Medikamente gegen die Krankheiten der Armen. Hiervon ist zum Beispiel die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten gegen Ruhr, Dengue-Fieber, Cholera, Malaria und Tuberkulose betroffen.

Auch konzentriert sich die internationale Forschung fast ausschließlich auf Virenstämme, die in den Industrieländern verbreitet sind. Dies trifft zum Beispiel für die Suche nach einem Impfstoff gegen HIV/AIDS zu. Lediglich ein einziger klinischer Test hierfür wurde bisher in Afrika durchgeführt – obwohl der Kontinent mit 70 Prozent der weltweit über 40 Millionen Infizierten am stärksten unter der Epidemie leidet.

Malaria und Tuberkulose: Krankheiten der Armen auf dem Vormarsch

Die Suche nach einem wirksamen Malaria-Mittel und einem neuen Impfstoff gegen Tuberkulose kommt ebenfalls nicht voran, weil die meisten Kranken arm sind und der Kampf gegen diese Krankheiten keine großen Gewinne verspricht. Allein in Afrika sterben jedes Jahr rund eine Million Kinder an Malaria. Die Situation verschärft sich immer mehr, da die Erreger gegen die wenigen erhältlichen Medikamente resistent geworden sind.

Auch die Tuberkulose breitet sich wieder stärker aus. Zum einen tritt sie als Folge-Infektion bei AIDS-Kranken auf. Zum anderen wächst auch hier die Resistenz der Erreger gegen traditionelle Medikamente. Zwischen 1997 und 2000 nahm die Zahl der registrierten Tuberkulosefälle weltweit um neun Prozent zu. Allein im Jahr 2.000 starben weltweit 1,7 Millionen Menschen an der "Schwindsucht". Von den jährlich acht Millionen Neuerkrankungen entfallen lediglich 130.000 auf die Industrieländer.

Neugeborene, die nicht gegen Diphterie, Keuchhusten und Tetanus geimpft werden:
Europa
600.000
Süd- und Ostasien
12.500.000
Pazifikregion
5.200.000
Afrika
11.900.000
Amerika/Lateinamerika
1.600.000
Östliche Mittelmeerregion
4.400.000
Gesamt
36.200.000

Quelle: UNICEF/WHO: "State of the World´s Vaccines and Immunisation Report", 2002

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