BT-Diäten-2004 auf dem Prüfstand

Originaltext
des Bundestages
Kommentar
DISKUSSION + Abstimmung
Diäten und Aufwandsentschädigung für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages

Fakten zur aktuellen Diskussion 

In der linken Spalte dokumentieren wir die Webseite des Bundestags URL >>
bundestag.de/mdb15/mdb_diaeten/index.html

Sinn der 1:1-Textübernahme ist die dauerhafte Beobachtung der offiziellen Argumentation.

 

Abgeordnetenentschädigung ("Diäten")

Mit "Diäten" bezeichnet man die ursprünglich den Abgeordneten gezahlte steuerfreie Aufwandsentschädigung. Sie wurde 1977 von einer steuerpflichtigen Abgeordnetenentschädigung abgelöst.


Diäten sind immerhin "steuerfrei", weshalb die weiteren "Entschädigungen" schon prinzipiell keinen Vergleich zu normalen Arbeits- und Geschäftswelt zulassen.
Das Grundgesetz bestimmt in Artikel 48 Abs. 3, dass Abgeordnete einen Anspruch auf eine angemessene ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung haben. Aber was "angemessen" ist, kann sich nur nach Leistung und nach Zufriedenheit der Vertretenen bemessen und allenfalls darin gerichtliche Untergrenze haben, was das Durchschnittseinkommen der Vertretenen ist.  

Also müssten sich die Abgeordneten ihre Diäten und Entschädigungen durch Volksentscheide bestätigen lassen, ansonsten müssten sie unverändert bleiben. 

Die Entschädigung muss für alle Abgeordneten gleich sein; sie muss die Unabhängigkeit der Abgeordneten sichern und sie muss der Tatsache angemessen sein, dass der Abgeordnete "Vertreter des ganzen Volkes" ist. Das ist prinzipiell unstreitig, aber in der Praxis sind es doch eher "Vertreter ihrer Parteien" und in Diätenfragen "Vertreter in eigener Sache".
Das hat das Bundesverfassungsgericht 1975 verbindlich festgelegt. 1977 entsprachen die Diäten der Abgeordneten mit damals 7.500,00 DM in etwa den Einkünften
  • eines kommunalen Wahlbeamten auf Zeit in der Besoldungsgruppe B 6
  • eines Richters an einem obersten Gerichtshof des Bundes (Besoldungsgruppe R 6).

Schon der Vergleichsmaßstab ist falsch, denn  "oberste Richter" sind eher mit Ministern  vergleichbar als mit BT-Abgeordneten.

Und selbst, wenn man den Vergleichsmaßstab akzeptieren würde, legitimiert er das Ergebnis noch längst nicht, denn was das BVerfG den BT-Abgeordneten zugesteht, gesteht umgekehrt das Parlament genau dieser Richter-Ebene zu.

Dieser "Vergleich" sich gegenseitig begünstigender Parteien hebt also den Vorwurf der Selbstbedienung nicht auf, sondern bestätigt ihn eher. 

In jedem Zivilprozess würde man sowohl mit dieser BT-Argumentation als auch mit der Entscheidungsgründen des BVerfG auf die Nase fallen, weil Interessen zum Nachteil Dritter (=der Vertretenen) zusammenwirken >> Volksvertreter und "Im Namen des Volkes". 

Die Gewaltenteilung reicht zur Legitimation in eigenen Angelegenheiten eben nicht, wenn sie sich dabei der Mitentscheidung der  Vertretene entzieht. Neben den Wahlen muss auch in solchen Fragen unmittelbarer Geltung haben: Art.20 (2) GG Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. 
   

Während Löhne, Einkommen und Lebenshaltungskosten seitdem deutlich gestiegen sind, haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages zwischen 1977 und heute wiederholt auf eine Erhöhung ihrer Diäten verzichtet. Die Diäten sind deshalb nachweislich hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurück geblieben. Zur Zeit betragen sie 7.009,00 € monatlich (brutto). Der Abstand zum Orientierungsmaßstab beträgt inzwischen annähernd 950,00 €. Diese Angaben sind unzureichend, denn es wäre mitzuteilen, was der Bundestag insgesamt an Kostenentwicklung im genannten Zeitraum hatte. Und diese Zahlen geteilt durch die Zahl der Abgeordneten.

z.B. Welche Leistungen kamen hinzu bzw. steigerten sich in welchem Umfang neben den Diäten?
Kostenpauschale

Was sein muss, muss sein. Zum Beispiel eine Zweitwohnung in Berlin. Zum Beispiel ein leistungsfähiges Büro im Wahlkreis. Zum Beispiel ein Auto, um in ländlichen Stimmbezirken überhaupt "vor Ort" sein zu können. Und hier eine Spende für soziale Belange, dort eine Spende für Vereine und Verbände, da ein Pokal für das örtliche Fußballturnier ... und nicht zuletzt erhebliche Zuwendungen für Veranstaltungen und Aktionen der heimischen "Basis", die von "ihrem" Abgeordneten ganz selbstverständlich erwartet, dass er mit gutem Beispiel vorangeht.

Weil ein "MdB" auch im Wahlkreis keinen Arbeitgeber hat (der ein Büro stellt, Reisekosten abdeckt und Kilometergeld bezahlt), und weil eine Einzelabrechnung aufwendiger wäre, gibt es die Kostenpauschale. Sie beträgt zur Zeit 3.551,00 € und wird zum 1. Januar eines jeden Jahres entsprechend der Entwicklung der Lebenshaltungskosten angehoben. In vielen Fällen reicht die Pauschale nicht aus. Höhere Ausgaben werden jedoch nicht erstattet, und sie können auch nicht steuerlich abgesetzt werden; denn für den Abgeordneten gibt es keine "Werbungskosten".

"Was sein muss, muss sein." = Sprechblase

"Und hier eine Spende für soziale Belange, dort eine Spende für Vereine und Verbände, da ein Pokal ..." = zahle ich aus eigener Tasche und kann es allenfalls von der Steuer abziehen. Die Argumentation ist unfassbar dreist.

"... erwartet, dass er mit gutem Beispiel vorangeht." = Aber doch tunlichst nicht auf fremder Leute Kosten.

"... denn für den Abgeordneten gibt es keine "Werbungskosten"." = Warum auch? Wenn man mich von der Steuer befreit, dann brauche auch ich keine Werbungskosten mehr geltend zu machen. Und dann braucht es auch erst recht keine "Kostenpauschale" als Draufgabe. 

Reisekosten

Wenn ein Abgeordneter eine Dienstreise unternimmt, trägt der Bundestag die Kosten, nicht anders als ein Arbeitgeber, der seine Mitarbeiter auf Geschäftsreise schickt. Fahrten in Ausübung seines Mandats - z. B. im Wahlkreis - muss der Abgeordnete hingegen selbst aus der Kostenpauschale bezahlen. Eine Ausnahme gilt für Fahrten mit der Deutschen Bahn AG. Hier stellt der Bundestag eine Netzkarte zur Verfügung, die für das Mandat, nicht aber privat genutzt werden darf. Benutzt ein Abgeordneter im Inland für Mandatszwecke ein Flugzeug oder den Schlafwagen, so werden ihm solche Kosten nur gegen Nachweis im Einzelfall erstattet.

"... muss der Abgeordnete hingegen selbst aus der Kostenpauschale bezahlen." = Klingt nach Opfer, ist es aber nicht, denn dafür ist ja die "Kostenpauschale" schon bestritten.

Kranken- und Pflegeversicherung

Hier haben Abgeordnete die Wahl zwischen zwei Modellen: Etwa 40 % der Abgeordneten sind Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei ihnen trägt der Bundestag - wie ein Arbeitgeber bei seinen Arbeitnehmern - die Hälfte des Beitrages zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Von Leistungseinschnitten bei der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ist diese Gruppe von Abgeordneten stets unmittelbar selbst betroffen.

Als Vertreter des ganzen Volkes sollten sie vorbildlich, also ausschließlich in den Gesetzlichen Kassen sein, zumal das Mandat ein öffentliches Amt ist und den Beschäftigten im öffentlichen Dienst ebenfalls die Gesetzlichen Kassen Pflicht sind. 

Die übrigen Abgeordneten haben eine private Kranken- und Pflegeversicherung abgeschlossen, deren Beiträge sie selbst zahlen, die aber nur ein Teil des Risikos decken. Den Rest übernimmt die Beihilfe nach beamtenrechtlichen Maßstäben. Weil Reformen im Bereich der gesetzlichen Sicherungssysteme inzwischen stets wirkungsgleich auf die Beamten übertragen werden, sind auch diese Abgeordneten über Änderungen des Beihilferechts stets mitbetroffen.

 

Überbrückungsgeld ("Sterbegeld")

Hinterbliebene von Abgeordneten haben Anspruch auf Überbrückungsgeld, das in der Vergangenheit einem doppelten Zweck diente: Zum einen - und in erster Linie - ist es eine fürsorgeähnliche Leistung, die den Hinterbliebenen die Umstellung auf die neuen Lebensverhältnisse finanziell erleichtern soll. Solche und ähnliche Leistungen gibt es bei Rentnern, Beamtenpensionären und auch die meisten Tarifverträge für Arbeitnehmer sehen sie vor.

Stimmt nicht und ist Irreführung, denn das  "Überbrückungsgeld" ist der Sache nach einer Lebensversicherung vergleichbar. 

Mindestens kann nicht von "die meisten Tarifverträge" die Rede sein.

Zum anderen diente das Überbrückungsgeld früher auch zur Abdeckung von Bestattungskosten ("Sterbegeld"). Weil dieses sogenannte Sterbegeld bei den in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten gänzlich entfallen ist, ist auch das Überbrückungsgeld für die Abgeordneten um 1.050,00 € gekürzt worden Der Kürzungsbetrag entspricht exakt dem Betrag, um den auch die entsprechende Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in zwei Stufen reduziert worden ist. Zwischen "gänzlich gestrichen" und "gekürzt" besteht zumindest ein prinzipieller Unterschied und sollte in Zahlen ausgewiesen sein.

Abgeordnetenmitarbeiter

Kein Abgeordneter kann die ihm obliegenden Mandatsaufgaben alleine bewältigen. Ohne die Hilfe von qualifizierten Mitarbeitern kommt er nicht aus. Hierfür stehen ihm monatlich rund 9.100,00 €, ab 01.04.2004 bis zu 9.819,00 € und ab 01.05.2004 bis zu 9.910,00 € zur Verfügung. Diese Summe erhält der Abgeordnete allerdings nicht selbst. Vielmehr bezahlt die Bundestagsverwaltung daraus die von den Abgeordneten eingestellten Mitarbeitern unmittelbar. Mitarbeiter, die mit dem Abgeordneten verwandt, verheiratet oder verschwägert sind, sind hiervon übrigens ausgenommen. Ihr Gehalt müsste der Abgeordnete selbst zahlen

"Kein Abgeordneter kann die ihm obliegenden Mandatsaufgaben alleine bewältigen." 

Mag sein, aber dann sollten sie weniger Zeit für >> Nebenjobs und Nebeneinkünfte haben. 

Altersentschädigung

Die Altersentschädigung (?Rente“) ist Bestandteil der angemessenen, die Unabhängigkeit sichernden Entschädigung der Abgeordneten. Gäbe es die Altersversorgung nicht, hätten die Abgeordneten für die Zeit ihrer Zugehörigkeit zum Parlament eine Versorgungslücke. Denn sie sind weder in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, noch reicht die Abgeordnetenentschädigung aus, eine anderweitige Altersversorgung zu finanzieren.

 

Erst wer dem Bundestag acht Jahre (zwei Wahlperioden) angehört hat, hat Anspruch auf die Altersentschädigung. Wer früher aus dem Parlament ausscheidet, wird auf Antrag in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert oder kann sich das Geld – unter Verzicht auf eine Rente für diese Zeit – in einer Summe auszahlen lassen.

"in einer Summe auszahlen" = in welchem Bereich gibt es das denn sonst noch?
Die Altersentschädigung ist – anders als noch die Rente – voll zu versteuern und andere Bezüge aus öffentlichen Kassen wie auch die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden auf sie angerechnet. Ferner haben Abgeordnete keinen Anspruch auf die staatlich geförderte "Riester-Rente".  

Schon bei der Änderung des Abgeordnetengesetzes im Jahr 1995 hat es bei der Altersversorgung deutliche Einschnitte gegeben. Steigerungsraten und Höchstsatz sind gesenkt worden. Ein Abgeordneter mit einer durchschnittlichen Verweildauer im Parlament von 12 Jahren erhält nur noch 36 % der Entschädigung als Altersversorgung (bisher 51 %). Diese in ihrer Wirkung dem erst jüngst bei der Altersrente eingeführten Nachhaltigkeitsfaktor vergleichbare Strukturreform entlastet die öffentlichen Kassen, ebenso die Verkleinerung des Deutschen Bundestages ab der 15. Wahlperiode, weil künftig weniger Abgeordnete Altersentschädigung beziehen werden.

Die unmittelbaren Vergleichszahlen fehlen. 
Gleichwohl soll auch die Altersentschädigung der Abgeordneten erneut vorbehaltlos überprüft werden. Der Bundestagspräsident und andere Parlamentarier aller Parteien haben dies bereits angekündigt. Allerdings. Und wir hinschauen, ob das, was "bereits angekündigt" ist, nicht nur den Nachfolgern gestrichen wird.

Mehrere Versorgungen

Bei der Kritik an der "Überversorgung" der Politiker wird oft übersehen, dass die Tätigkeit als Abgeordneter oder als Mitglied der Regierung stets zeitlich begrenzt und daher bezogen auf das Arbeitsleben insgesamt oft nur von kurzer Dauer ist. Hinzu kommt, dass die Übernahme hoher politischer Ämter nicht selten ein Ausscheiden aus dem bisherigen Beruf erfordert. Aus diesem Grunde wird für solche Inhaber öffentlicher Ämter allgemein eine Versorgung bereits nach einer kürzeren Zeit, als dies bei auf Lebenszeit angelegten Beschäftigungsverhältnissen der Fall ist, gewährt. Wenn im Einzelfall mehrere Versorgungsansprüche aus verschiedenen öffentlichen Ämtern zusammentreffen, greifen immer Anrechnungsvorschriften. 

 

Die "zeitliche Begrenztheit" ist nicht nur ein sich wiederholendes Argument, sondern wird mehrfach für die mehrfache Privilegierung bemüht. 

So werden z. B. auf die voll zu versteuernde Altersentschädigung der Abgeordneten andere Bezüge aus öffentlichen Kassen, etwa aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder ein Ruhegehalt als früheres Regierungsmitglied, angerechnet. Solche Anrechnung ist keine Bescheidenheit, sondern längst enthalten im Versorgungsbegriff der Diät und würde anders nur wiederum gegenüber dem sonstigen Öffentlichen Dienst privilegieren. 

Übergangsgeld

Das Übergangsgeld für Abgeordnete soll den beruflichen Wiedereinstieg absichern. Sein Zweck ist es, den Abgeordneten nach dem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag eine Rückkehr in den angestammten Beruf oder die Aufnahme einer neuen Berufstätigkeit zu ermöglichen. Damit trägt das Übergangsgeld dazu bei, die Unabhängigkeit der Abgeordneten zu sichern. Diese sollen sich voll ihrem Mandat widmen und nicht aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sein, sich schon während der Mandatszeit Sorgen um ihre berufliche Existenz nach dem Ausscheiden aus dem Parlament zu machen.

Die für den Bürger wichtigste Information wird verschwiegen: 

Wie hoch ist solch "Übergangsgeld"?

Denn wer ein Bundestagsmandat annimmt, gibt regelmäßig für eine ungewisse Zeit seinen bis dahin ausgeübten Beruf auf. Die Mandatsausübung fällt dabei typischerweise in einen Lebensabschnitt, der bei anderen der Förderung der eigenen beruflichen Karriere, dem Aufbau und der Expansion des eigenen Betriebes oder einer Rechtsanwaltskanzlei oder Arztpraxis dient.

Die Tätigkeit im Bundestag wäre für jeden ein brauchbarer Lebensabschnitt, wenn sie dort Leistungen erbrächten, über die sich Bürger freuen. Dann wäre das in jeder Biographie für die meisten Karrieren überhaupt nicht von Nachteil, sondern eher noch von Vorteil und rechtfertigt das "Übergangsgeld" nicht.

Ein Abgeordneter verzichtet hierauf, ohne zu wissen, ob er überhaupt wiedergewählt wird. 

Wer damit Probleme hat, dass er nicht weiß, "ob er überhaupt wiedergewählt wird", wäre kein Demokrat und hat überhaupt nichts in unseren Parlamenten zu suchen.
Wenn nicht, kann er nur in seine vorherige Position zurückkehren.  Das ist doch eine schöne Garantie!
Existiert sein Betrieb aber nicht mehr, kann er nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag weder Arbeitslosenunterstützung erhalten, noch gibt es für eine Umschulung Unterstützung durch die Arbeitsvermittlung. Keine "Arbeitslosenunterstützung" - soll das nun bemitleidet werden? Ich wäre sofort dafür, dass arbeitslose Ex-Parlamentarier Arbeitslosenunterstützung erhalten, aber sie dachten sich eben für sich das weit bessere "Übergangsgeld" aus.
Auch wer vorher selbständig oder freiberuflich tätig war, muss häufig wieder ganz von vorne anfangen. Das Argument wiederholt sich.

Für jedes Jahr der Parlamentszugehörigkeit wird ein Monat Übergangsgeld in Höhe der jeweils aktuellen Abgeordnetenentschädigung gezahlt, nach einer Wahlperiode also für vier Monate, insgesamt längstens für achtzehn Monate. Ab dem zweiten Monat nach dem Ausscheiden werden alle sonstigen Einkünfte - auch solche aus privaten Quellen - auf das Übergangsgeld angerechnet.

Also immerhin bis zu 18 mal 7.009,00 Euro = 126.162 Euro = mehr als 250.000 DM, hört sich in Euro halt nur weniger an.

Nebenjobs

"Nebenjobs" und "Nebeneinkünfte" werden oft verwechselt. Nicht jeder Nebenjob bringt Nebeneinkünfte.

"Nicht jeder Nebenjob bringt Nebeneinkünfte."= Solche Weisheiten braucht es als Vorspruch, denn wer hätte das gedacht.

Fast alle Abgeordneten haben einen oder gar mehrere "Nebenjobs": Ehrenämter in gemeinnützigen Organisationen, Aufgaben in der Bildungs- und Sozialarbeit, Mandate in Kommunalparlamenten, Beisitzerposten in Parteien und Verbänden, Vereinen und Stiftungen.

In dieser Auflistung bleiben Nebenjobs ungenannt, die weniger ehrenamtlich sind: z.B. Aufsichtsratsmitgliedschaften, Beraterverträge, ... und das sind keineswegs Nebenjobs, die beim Finanzamt als "geringfügige Beschäftigung" durchgehen würden. 
Vergessen wird oft: Abgeordnete haben bloß ein Mandat auf Zeit - sie sind immer nur auf vier Jahre gewählt. Vielfach ist es einfach notwendig, Kontakt zum Beruf zu halten und für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Parlament Vorsorge zu treffen. Verbindungen zur Berufswelt sind im übrigen auch gut für das Parlament:

 

Wer "vergisst" das? Im Gegenteil würde man es sich bei vielen Abgeordneten so wünschen, dass sie immer nur auf vier Jahre gewählt werden, aber schaut man sich an, auf welche Weise vordere Listenplätze bei Bundestagswahlen errungen werden, so erklärt sich auch schnell, warum so viele dieser vorderen Abgeordneten dort bis zur Rente bleiben - und darüber hinaus, weil es eben so schön ist.
1. Abgeordnete mit "Nebenjobs" bringen Farbe ins Parlament. Mit ihren außerhalb des Parlaments gewonnenen Erfahrungen und Eindrücken bereichern sie die parlamentarische Arbeit. Das dürfte wohl kaum das Motiv für Nebenjobs sein, zumal der Bundestag meist so leer ist, dass man dort nur die Farbe der Sessel sieht.
2. Viele meinen, wenn ein Abgeordneter Nebeneinkünfte hat, müssen jedenfalls seine "Diäten" gekürzt werden. Das ist jedoch nicht möglich. Die Entschädigung muss für alle Abgeordneten gleich hoch sein. Die Verfassung schreibt das zwingend vor. Nebeneinkünfte oder eigenes Vermögen dürfen deshalb nicht zu Abzügen bei den "Diäten" führen. Denn wer dies fordert, schafft zwei Klassen von Abgeordneten. "..., schafft zwei Klassen von Abgeordneten." = Im Gegenteil, denn kein Abgeordneter ist zu Nebeneinkünften verpflichtet. Entweder "brauchen" sie es alle oder alle brauchen es nicht. Und wer das dann nicht mit Diäten aufrechnen will, derjenige schafft "zwei Klassen von Abgeordneten".
3. Alle Nebenjobs - bezahlte oder unbezahlte - sind dem Präsidenten des Deutschen Bundestages anzuzeigen, um mögliche Interessenverknüpfungen offenzulegen. Nebeneinkünfte unterliegen strengen Verhaltensregeln. Wer gegen sie verstößt, muss damit rechnen, dass diese Tatsache veröffentlicht wird. Es gibt keine andere Berufsgruppe in Deutschland, die sich ähnliche Verpflichtungen auferlegt hat. Stimmt wieder nicht, denn wenn Kohl nach Ablauf seiner Amtszeit noch "Beraterhonorare" kassierte, dann war das offenbar nicht offenzulegen, denn ansonsten wäre er zu verurteilen.

Selbstbedienung

So merkwürdig es klingen mag: Die Abgeordneten würden auf dieses "Vorrecht" gerne verzichten. Sie wären zufrieden, wenn sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten in gleichem Maß an der Entwicklung der Löhne und Gehälter teilgenommen hätten, wie andere auch.

Dieser Abschnitt wiederholt den Quatsch von oben.
Das "Diäten-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts von 1975 hat die Abgeordneten ausdrücklich verpflichtet, selbst - und: "vor den Augen der Öffentlichkeit" - über die Höhe ihrer Entschädigung zu beschließen. Diese angebliche "Selbstbedienung" hat dazu geführt, dass die Abgeordneten heute rund 950,00 € weniger pro Monat bekommen als die Oberbürgermeister, Richter und leitenden Beamten, mit denen sie 1977 noch in etwa gleichgestellt waren. Dieser Abschnitt wiederholt den Quatsch von oben.
Das Verfassungsgericht hat den Abgeordneten 1975 aber zugleich ausdrücklich eine Entschädigung zugesprochen, die "eine Lebensführung gestattet, die der Bedeutung des Amtes angemessen ist".  Dieser Abschnitt wiederholt den Quatsch von oben.
Und genau darum geht es: um eine Entschädigung, die der Leistung, dem Arbeitseinsatz und Zeitaufwand - und vor allem: der Verantwortung der gewählten Volksvertreter - entspricht. Der Verantwortungsbegriff ist rein moralischer Art, aber hat keine Entsprechung in der finanziellen Honorierung, denn wer für die Fehler nicht haftet, soll sich auch nicht mit denen vergleichen, die beispielsweise selbständig alle "Entschädigung der Leistung, dem Arbeitseinsatz und Zeitaufwand - und vor allem: der Verantwortung" verlieren.
Auch in Zukunft werden die Parlamentarier selbst über die Diäten entscheiden müssen. Von "müssen" kann überhaupt nicht die Rede sein, denn sie sollten insbesondere solche Entscheidungen "in eigener Sache" Volksabstimmungen überlassen.

Fraktionsfinanzierung

Bundestagsfraktionen nehmen vielfältige Aufgaben wahr, die im Interesse des ganzen Parlaments liegen. Deshalb dürfen sie aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt entschieden hat.

Die Sach- und Geldleistungen, die die Fraktionen erhalten, dienen alleine den Aufgaben der Fraktionen, nicht denen der Abgeordneten und auch nicht denen der Parteien.

Weil Fraktionen ihre Aufgaben ohne Mitarbeiter nicht bewältigen können, wird ein Großteil der öffentlichen Mittel für Löhne und Gehälter der Mitarbeiter verwandt. Deshalb werden bei einer Festlegung der Fraktionsmittel, die dem Bundestag obliegt, in erster Linie die Lohn- und Gehaltsentwicklung im öffentlichen Dienst, aber auch - für die Sachleistungen - die Entwicklung der Verbraucherpreise in Deutschland berücksichtigt.

Dieser Abschnitt wiederholt den Quatsch von oben nun noch einmal mit Blick auf die Fraktionen und den dahinter stehenden Parteien, die sämtlich klamm bei Kasse ebenfalls mit ihren aufgeblähten Apparaten unersättliche Nehmerqualitäten entwickelten. >> Parteienfinanzierung

Schlussfolgerung:

Diese BT-Argumentation ist kühn, aber unsachlich und ungenügend in den Zahlenangaben und Vergleichen. Eine Zumutung, entweder Frechheit oder totale Blindheit aus purem Egoismus. 

Auch der Text der kritisierten Bundestag-Webseite entstand nicht "ehrenamtlich", sondern wurde überbezahlt, weil er falsch ist.

Sehr wohl aber ehrenamtlich entstand meine Kritik daran. Und diese Kritik ist sicherlich von Ärger begleitet, aber wenigstens sachlich richtig.

sven200410

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