AGENDA FÜR DEN FRIEDEN IniDia-Kommentare

AGENDA FÜR DEN FRIEDEN
Vorbeugende Diplomatie, Friedensschaffung und Friedenssicherung

Bericht des Generalsekretärs (Boutros Boutros-Ghali) gemäß der am 31. Januar 1992 von dem Gipfeltreffen des Sicherheitsrats verabschiedeten Erklärung 

INHALTSANGABE 

Einführung
I. Das sich wandelnde Umfeld
II. Begriffsbestimmungen
III. Vorbeugende Diplomatie
IV. Friedensschaffung
V. Friedenssicherung
VI. Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit
VII. Zusammenarbeit mit regionalen Abmachungen und Organisationen
VIII. Sicherheit des Personals
IX. Finanzierung
X. Agenda für den Frieden 


EINFÜHRUNG 

1. In der Erklärung des Sicherheitsrats vom 31. Januar 1992, die am Ende der ersten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs abgehaltenen Tagung des Sicherheitsrats verabschiedet wurde, bin ich gebeten worden, bis zum 1. Juli 1992 eine zur Verteilung an die Mitglieder der Vereinten Nationen bestimmte "Analyse sowie Empfehlungen zu der Frage auszuarbeiten, wie die Kapazität der Vereinten Nationen zur vorbeugenden Diplomatie, zur Friedensschaffung und zur Friedenssicherung im Rahmen der Charta und ihrer Bestimmungen gestärkt und effizienter gestaltet werden kann"(1). 

2. Die Vereinten Nationen sind ein Zusammenschluß souveräner Staaten, und was sie tun können, hängt von dem Grad der Übereinstimmung ab, den die Staaten untereinander erzielen. Die von Gegnerschaft geprägten Jahrzehnte des Kalten Krieges haben verhindert, daß die Vereinten Nationen den Erwartungen gerecht wurden, die man ursprünglich in sie gesetzt hatte. Insofern stellte der im Januar 1992 veranstaltete Gipfel eine bisher einzigartige, auf höchster politischer Ebene erfolgte Neuverpflichtung auf die Ziele und Grundsätze der Charta dar. 

3. In den vergangenenen Monaten hat sich bei großen und kleinen Nationen in zunehmendem Maße die Überzeugung durchgesetzt, daß eine Gelegenheit zur Verwirklichung der großen Ziele der Charta wiedererlangt worden ist, nämlich eine Organisation der Vereinten Nationen, die in der Lage ist, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren, Gerechtigkeit und die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten und - um mit der Charta zu sprechen - "den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern". Diese Gelegenheit darf nicht ungenutzt bleiben. Die Vereinten Nationen dürfen nie wieder so handlungsunfähig werden, wie sie es in der inzwischen zurückliegenden Ära gewesen sind. 

4. Ich freue mich, daß der Sicherheitsrat mich zu Beginn meiner Amtszeit als Generalsekretär gebeten hat, diesen Bericht auszuarbeiten. Er stützt sich auf Gedanken und Vorschläge, die mir von Regierungen, Regionalorganisationen, nichtstaatlichen Organisationen sowie von Institutionen und Einzelpersonen aus vielen Ländern zugeleitet wurden. Bei aller Dankbarkeit für diese Beiträge möchte ich jedoch betonen, daß ich für diesen Bericht allein verantwortlich zeichne. 

5. Konflikt und Krieg beruhen auf weit verbreiteten, tiefliegenden Ursachen. Wenn wir sie ergründen wollen, werden wir alles in unseren Kräften Stehende tun müssen, um die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten zu stärken, eine bestandfähige wirtschaftliche und soziale Entwicklung zur Erlangung allgemeineren Wohlstands zu fördern, die Not zu lindern und die Existenz und den Einsatz von Waffen mit massiver Zerstörungswirkung zu reduzieren. Die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung, das größte je veranstaltete Gipfeltreffen, ist soeben in Rio de Janeiro zu Ende gegangen. Im nächsten Jahr wird die zweite Weltkonferenz über Menschenrechte stattfinden. 1994 wird das Thema Bevölkerung und Entwicklung behandelt. 1995 wird die Weltfrauenkonferenz stattfinden, und ein Weltgipfel für soziale Entwicklung ist vorgeschlagen worden. Während meiner gesamten Amtszeit als Generalsekretär werde ich mich mit allen diesen großen Fragenkomplexen auseinandersetzen. Sie alle sind mir gegenwärtig, wenn ich mich in diesem Bericht den Problemen zuwende, um deren Untersuchung mich der Rat eigens ersucht hat: vorbeugende Diplomatie, Friedensschaffung und Friedenssicherung, welche ich noch um das eng damit verbundene Konzept der Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit erweitert habe. 

6. Der offenkundige Wunsch der Mitgliedstaaten nach Zusammenarbeit verleiht unseren gemeinsamen Bemühungen neue Kraft. Der Erfolg ist jedoch äußerst unsicher. Wenn ich mich einerseits in meinem Bericht mit den Wegen befasse, die Kapazität der Vereinten Nationen zur Herbeiführung und Erhaltung des Friedens zu verbessern, ist es doch andererseits ausschlaggebend, daß sich alle Mitgliedstaaten darüber im klaren sind, daß die Suche nach besseren Mechanismen und Techniken so lange relativ bedeutungslos bleiben wird, wie dieser neue Gemeinschaftsgeist nicht von dem Willen getragen ist, die schwierigen Entscheidungen zu treffen, die die sich uns heute darbietende Gelegenheit uns abverlangt. 

7. Ich unterbreite den Mitgliedern der Vereinten Nationen daher diesen Bericht bewegt von dem Gefühl der Bedeutung des Augenblicks und in Dankbarkeit. 

I. DAS SICH WANDELNDE UMFELD 

8. Im Laufe der letzten Jahre ist die gewaltige ideologische Trennmauer eingestürzt, die jahrzehntelang Mißtrauen und Feindschaft, untrennbar begleitet von furchtbaren Werkzeugen der Vernichtung, verursacht hat. Wenn auch die Reibungspunkte zwischen den Staaten im Norden und im Süden ausgeprägter werden und die Aufmerksamkeit der Regierungen auf höchster Ebene erfordern, bietet die Verbesserung der Beziehungen zwischen den Staaten im Osten und Westen neue, zum Teil schon realisierte Möglichkeiten, den Bedrohungen der gemeinsamen Sicherheit erfolgreich zu begegnen. 

9. Autoritäre Regime sind demokratischeren Kräften und Regierungen gewichen, die eher auf die Belange anderer einzugehen bereit sind. Die Form, der Umfang und die Intensität dieser Prozesse sind in Lateinamerika, Afrika, Europa und Asien zwar jeweils verschieden, doch weisen sie genug Ähnlichkeiten auf, um ein globales Phänomen erkennen zu lassen. Parallel zu diesen politischen Veränderungen bemühen sich viele Staaten um eine offenere Wirtschaftspolitik, wodurch weltweit ein Gefühl der Dynamik und der Bewegung entsteht. 

10. Zu den Hunderten von Millionen, die ihre Unabhängigkeit im Zuge des Entkolonialisierungsschubes nach Gründung der Vereinten Nationen erlangt haben, sind weitere Millionen hinzugekommen, die in jüngster Zeit ihre Freiheit errungen haben. Wieder einmal nehmen neue Staaten ihren Platz in der Generalversammlung ein, was erneut bestätigt, daß der souveräne Staat als Grundeinheit der internationalen Gemeinschaft wichtig und unverzichtbar ist. 

11. Wir sind in eine globale Übergangszeit eingetreten, die von höchst widersprüchlichen Tendenzen geprägt wird. Regionale und kontinentale Zusammenschlüsse von Staaten sind dabei, Möglichkeiten zu entwickeln, um die Zusammenarbeit zu vertiefen und an Souveränitätsüberlegungen anknüpfenden oder nationalistischen Rivalitäten einen Teil ihres Streitpotentials zu nehmen. Hochentwickelte Kommunikationsmittel und weltumspannende Handelsbeziehungen wie auch die Beschlüsse der Staaten, einen Teil ihrer Souveränitätsrechte größeren gemeinsamen politischen Zusammenschlüssen zu übertragen, sorgen dafür, daß sich die Grenzen zwischen den Staaten verwischen. Gleichzeitig jedoch brechen sich an neuer Stelle Nationalismus und Souveränitätsdenken mit Gewalt Bahn, und brutale ethnische, religiöse, soziale, kulturelle und sprachenbezogene Auseinandersetzungen bedrohen den Zusammenhalt der Staaten. Der soziale Frieden wird einerseits durch das Auftreten neuer Formen der Diskriminierung und der Ausgrenzung und andererseits durch terroristische Handlungen in Frage gestellt, die den demokratischen Fortgang von Entwicklung und Wandel zu untergraben suchen. 

12. Der Begriff des Friedens ist leicht zu fassen, der der internationalen Sicherheit ist jedoch komplexerer Natur, da sich auch hier inzwischen weitreichende Widersprüche aufgetan haben. Selbst während die großen Nuklearmächte mit der Aushandlung von Rüstungsreduzierungsübereinkünften begonnen haben, droht die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen weiter zuzunehmen und werden in vielen Teilen der Welt konventionelle Waffen auch weiterhin angehäuft. Während die destruktive Kraft des Rassismus als solche erkannt wird und während die Apartheid beseitigt wird, kommt es zu neuen rassischen Spannungen, die sich in Gewalt entladen. Der technische Fortschritt verändert die Lebensverhältnisse und die Lebenserwartung in der ganzen Welt. Die Umwälzungen im Kommunikationswesen haben die Welt geeint und ein gemeinsames Bewußtsein, gemeinsame Bestrebungen und eine größere Solidarität gegenüber der Ungerechtigkeit entstehen lassen. Doch der Fortschritt bringt auch neue stabilitätsbedrohende Gefahren mit sich - Umweltschäden, das Auseinanderbrechen der Familien und der Gemeinwesen und die stärkere Einmischung in das Leben und die Rechte des einzelnen. 

13. Diese neue Dimension der Unsicherheit darf uns jedoch nicht den Blick verstellen für die auch weiterhin fortbestehenden verheerenden Probleme des unkontrollierten Bevölkerungswachstums, der erdrückenden Schuldenlasten, der Handelshemmnisse, der Drogen und der immer größeren Disparität von Arm und Reich. Armut, Krankheit, Hunger, Unterdrückung und Verzweiflung grassieren und haben in ihrem Zusammenspiel 17 Millionen Flüchtlinge, 20 Millionen Vertriebene und massive Wanderungsbewegungen innerhalb der Staaten und über Staatsgrenzen hinweg hervorgebracht. Diese Probleme, die sowohl Konfliktursachen als auch Konfliktfolgen darstellen, verlangen es, daß die Vereinten Nationen ihnen unermüdliche Aufmerksamkeit widmen und bei ihrer Tätigkeit höchsten Vorrang einräumen. Eine zerlöcherte Ozonschicht könnte für eine exponierte Bevölkerung eine größere Bedrohung darstellen als eine feindliche Armee. Dürre und Krankheiten vermögen eine Bevölkerung genauso gnadenlos zu dezimieren wie Kriegswaffen. In dieser Stunde der wiedererlangten Gelegenheit müssen somit die Bemühungen der Vereinten Nationen um die Konsolidierung des Friedens, der Stabilität und der Sicherheit über rein militärische Bedrohungen hinausgehen, um die Fesseln des Konfliktes und Krieges zu sprengen, die die Vergangenheit geprägt haben. Dennoch verbreiten bewaffnete Konflikte heute wie auch in der Geschichte Furcht und Schrecken bei den Menschen und verlangen unser dringendes Eingreifen in dem Versuch, sie zu verhindern, sie einzudämmen und ihnen ein Ende zu setzen. 

14. Seit der Gründung der Vereinten Nationen im Jahr 1945 haben mehr als einhundert größere Konflikte weltweit 20 Millionen Menschen das Leben gekostet. Wegen der im Sicherheitsrat eingelegten Vetos - insgesamt 279 -, deutlicher Ausdruck der damals bestehenden Spaltungen, waren die Vereinten Nationen machtlos, vielen dieser Krisen Herr zu werden. 

15. Mit dem Ende des Kalten Krieges ist es seit dem 31. Mai 1990 nicht mehr zu einem solchen Veto gekommen, und die an die Vereinten Nationen gestellten Anforderungen haben sprunghaft zugenommen. Einst lahmgelegt durch Umstände, zu deren Bewältigung ihr Sicherheitsorgan weder geschaffen noch ausgerüstet war, ist dieses inzwischen zum zentralen Instrument der Konfliktverhütung und Konfliktlösung und der Friedenserhaltung geworden. Unser Ziel muß sein,zu versuchen, zum frühestmöglichen Zeitpunkt konfliktträchtige Situationen zu erkennen und auf diplomatischem Wege zu versuchen, die Gefahrenherde zu beseitigen, bevor es überhaupt zu Gewalt kommt;wo ein Konflikt ausbricht, friedenschaffende Maßnahmen zu ergreifen, um die Probleme zu lösen, die den Konflikt ausgelöst haben;durch friedensichernde Maßnahmen da, wo die Kampfhandlungen eingestellt worden sind, auf die Erhaltung des Friedens, wie prekär er auch immer sein mag, hinzuwirken und bei der Durchführung der von den Friedensstiftern herbeigeführten Übereinkommen behilflich zu sein;bereit zu sein, bei der Friedenskonsolidierung in ihren verschiedenen Formen behilflich zu sein: durch den Wiederaufbau der Institutionen und Infrastrukturen der von Bürgerkrieg und bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zerrissenen Nationen und durch die Herstellung von friedlichen, allseits vorteilhaften Beziehungen zwischen den vormals kriegführenden Nationen;und im weitesten Sinne zu versuchen, die tiefsten Konfliktursachen auszuräumen: wirtschaftliche Not, soziale Ungerechtigkeit und politische Unterdrückung. Es zeichnet sich neuerdings mehr und mehr eine allen Nationen und Völkern der Welt gemeinsame ethische Erkenntnis ab, die in völkerrechtlichen Bestimmungen ihren Niederschlag findet, welche ihr Entstehen häufig der Tätigkeit der Vereinten Nationen verdanken.16. Die Erfüllung dieses umfassenderen Auftrags der Weltorganisation wird die Aufmerksamkeit und die konzertierten Anstrengungen der einzelnen Staaten, der regionalen und nichtstaatlichen Organisationen und des gesamten Systems der Vereinten Nationen erfordern, wobei alle Hauptorgane ihre Aufgaben auf so ausgewogene und harmonische Weise wahrnehmen müssen, wie dies die Charta vorschreibt. Dem Sicherheitsrat ist von allen Mitgliedstaaten die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit im Rahmen der Charta übertragen worden. Im weitesten Sinne müssen die Generalversammlung und alle funktionalen Organe der Vereinten Nationen diese Verantwortung mittragen. Bei dem integrierten Vorgehen zur Gewährleistung der Sicherheit der Menschheit hat jedes einzelne eine besondere und unverzichtbare Rolle zu spielen. Grundlage des Beitrags des Generalsekretärs ist das Verhältnis des Vertrauens und der Zusammenarbeit, das zwischen ihm und den beratenden Organen der Vereinten Nationen besteht. 

17. Der Staat ist die Grundfeste dieser Tätigkeit und muß es auch in Zukunft bleiben. Unabdingbare Voraussetzung für gemeinsame Fortschritte auf internationaler Ebene ist die Achtung seiner fundamentalen Souveränität und Unversehrtheit. Die absolute und exklusive Souveränität - ein Postulat, das in der Realität nie seine Entsprechung gefunden hat -, gehört jedoch der Vergangenheit an. Die führenden Staatsmänner stehen heute vor der Aufgabe, dies zu verstehen und ein Gleichgewicht herzustellen zwischen den Geboten einer ordnungsgemäßen Wahrnehmung der innerstaatlichen Belange und den Anforderungen einer in zunehmendem Maße interdependenten Welt. Handel, Kommunikation und Umweltbelange machen an administrativen Grenzen nicht halt; diese Grenzen umreißen jedoch gleichzeitig den Ort, an dem der einzelne den größten Teil seines wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lebens gestaltet. Die Vereinten Nationen haben ihre Pforten nicht verschlossen. Wollte jedoch jede ethnische, religiöse oder sprachliche Gruppe Anspruch auf Staatshoheit erheben, käme es zu einer maßlosen Zersplitterung, und es würde immer schwieriger, Frieden, Sicherheit und wirtschaftliches Wohlergehen für alle zu verwirklichen. 

18. Eine Voraussetzung für die Lösung dieser Probleme ist das Eintreten für die Menschenrechte, und insbesondere für die Rechte der Minderheiten, gleich, ob es sich dabei um ethnische, religiöse, soziale oder sprachliche Minderheiten handelt. Der Völkerbund hat einen Apparat für den völkerrechtlichen Schutz von Minderheiten geschaffen. Die Generalversammlung wird demnächst mit einer Erklärung über die Rechte der Minderheiten befaßt werden. Dieses Instrument dürfte in Verbindung mit dem immer wirksameren Menschenrechtsinstrumentarium der Vereinten Nationen zur Verbesserung der Situation der Minderheiten und zur Stärkung der Stabilität der Staaten beitragen. 

19. Internationalismus und Nationalismus müssen keineswegs unbedingt als gegensätzliche Denkrichtungen betrachtet werden, die dazu verurteilt sind, auf der Gegenseite extreme Reaktionen auszulösen. Eine gesunde Globalisierung des Lebens in unserer Zeit erfordert an erster Stelle festgefügte Identitäten und die Ausübung der Grundfreiheiten. Wir dürfen es nicht zulassen, daß die Souveränität, territoriale Unversehrtheit und Unabhängigkeit der Staaten innerhalb des etablierten internationalen Systems und der Grundsatz der Selbstbestimmung der Völker - beides Grundsätze von großem Wert und großer Bedeutung - in der vor uns liegenden Zeit in ein gegensätzliches Verhältnis zueinander geraten. Die Achtung der demokratischen Grundsätze auf allen Ebenen des sozialen Gefüges - in den Gemeinwesen, in den Staaten und in der Gemeinschaft der Staaten - ist von entscheidender Bedeutung. Wir sollten unsere Aufgabe stets darin erblicken, die Integrität aller Teile zu wahren, gleichzeitig jedoch eine ausgewogene Struktur für das Ganze zu finden. 


II. BEGRIFFSBESTIMMUNGEN 

20. Die Begriffe "vorbeugende Diplomatie", "Friedensschaffung" und "Friedenssicherung" sind untrennbar miteinander verknüpft und werden in diesem Bericht mit folgender Sinngebung verwendet:Vorbeugende Diplomatie bezeichnet Maßnahmen mit dem Ziel, das Entstehen von Streitigkeiten zwischen einzelnen Parteien zu verhüten, die Eskalation bestehender Streitigkeiten zu Konflikten zu verhindern und, sofern es dazu kommen sollte, diese einzugrenzen.Friedensschaffung bezeichnet Maßnahmen mit dem Ziel, feindliche Parteien zu einer Einigung zu bringen, im wesentlichen durch solche friedlichen Mittel, wie sie in Kapitel VI der Charta der Vereinten Nationen vorgesehen sind.Friedenssicherung bezeichnet die Errichtung einer Präsenz der Vereinten Nationen vor Ort, was bisher mit Zustimmung aller beteiligten Parteien geschah, im Regelfall unter Beteiligung von Militär- und/oder Polizeikräften der Vereinten Nationen und häufig auch von Zivilpersonal. Die Friedenssicherung ist eine Technik, welche die Möglichkeiten für eine Konfliktverhütung wie auch eine Friedensschaffung noch erweitert.21. Dieser Bericht wird sich außerdem mit dem hierzu in engstem Zusammenhang stehenden Konzept der Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit auseindersetzen, das heißt Maßnahmen zur Bestimmung und Förderung von Strukturen, die geeignet sind, den Frieden zu festigen und zu konsolidieren, um das Wiederaufleben eines Konflikts zu verhindern. Die vorbeugende Diplomatie ist bestrebt, Streitigkeiten beizulegen, bevor Gewalt ausbricht; Friedensschaffung und Friedenssicherung sind notwendig, um Konflikten Einhalt zu gebieten und den einmal erreichten Frieden zu erhalten. Sind diese Maßnahmen erfolgreich, so verbessern sie die Aussichten für die Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit, wodurch erneute Gewalt zwischen Nationen und Völkern verhindert werden kann. 

22. In ihrer Gesamtheit stellen diese vier Maßnahmenkomplexe, sofern sie von der Unterstützung aller Mitglieder getragen werden, einen in sich geschlossenen Beitrag zur Sicherung des Friedens im Geiste der Charta dar. Die Vereinten Nationen verfügen über weitreichende Erfahrungen nicht nur auf diesen Gebieten, sondern auch im weiteren Bereich der Friedensarbeit, in den diese vier Gebiete eingebettet sind. Initiativen betreffend Entkolonialisierung, Umwelt und tragfähige Entwicklung, Bevölkerung, Krankheitsbekämpfung, Abrüstung und Weiterentwicklung des Völkerrechts - diese allesamt und viele andere haben zur Schaffung der Grundlagen einer friedlichen Welt einen unermeßlichen Beitrag geleistet. Nur allzu häufig ist die Welt von Konflikten zerrissen worden und sind der Menschheit schwerstes Leid und unermeßliche Entbehrungen auferlegt worden. Indessen wäre dies ohne die kontinuierlichen Bemühungen der Vereinten Nationen in noch viel größerem Maße der Fall gewesen. Diesen weitreichenden Erfahrungsschatz muß man berücksichtigen, wenn man das Potential der Vereinten Nationen zur Wahrung der internationalen Sicherheit nicht nur im herkömmlichen Sinne, sondern auch in den neuen Dimensionen, die die Zukunft eröffnet, richtig einschätzen will. 


III. VORBEUGENDE DIPLOMATIE 

23. Der Einsatz der Diplomatie ist dann besonders wünschenswert und effizient, wenn es darum geht, Spannungen zu vermindern, noch bevor ein Konflikt ausbricht - oder, im Konfliktfalle, rasch zu handeln, um den Konflikt einzudämmen und die ihm zugrundeliegenden Ursachen zu beseitigen. Vorbeugende Diplomatie kann vom Generalsekretär selbst oder von hochrangigen offiziellen Vertretern beziehungsweise Sonderorganisationen oder -programmen, vom Sicherheitsrat oder der Generalversammlung und von Regionalorganisationen in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen betrieben werden. Die vorbeugende Diplomatie erfordert vertrauenbildende Maßnahmen, sie erfordert ein Frühwarnsystem, das auf Informationsbeschaffung und einer informellen oder formellen Tatsachenermittlung beruht; sie kann auch vorbeugende Einsätze und in einigen Situationen entmilitarisierte Zonen umfassen. 

Vertrauenbildende Maßnahmen 

24. Gegenseitiges Vertrauen und ein Handeln nach Treu und Glauben sind von wesentlicher Bedeutung, wenn es darum geht, die Wahrscheinlichkeit eines Konfliktes zwischen den Staaten zu mindern. Viele Maßnahmen dieser Art stehen Regierungen, die sie anwenden wollen, zur Verfügung. Dabei kann es sich um den systematischen Austausch von Militärdelegationen, den Aufbau von regionalen oder subregionalen Zentren zur Risikominderung und um Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freien Informationsaustauschs einschließlich der Überwachung regionaler Rüstungsübereinkünfte handeln. Ich bitte alle Regionalorganisationen zu prüfen, welche weiteren vertrauenbildenden Maßnahmen in ihrer Region getroffen werden könnten, und die Vereinten Nationen von den Ergebnissen in Kenntnis zu setzen. Ich werde mit den an einer potentiellen, einer zur Zeit akuten oder einer vergangenen Streitigkeit beteiligten Parteien und mit den Regionalorganisationen regelmäßige Konsultationen über vertrauenbildende Maßnahmen führen und ihnen jede beraterische Unterstützung angedeihen lassen, die das Sekretariat gewähren kann. 

Tatsachenermittlung 

25. Vorbeugende Maßnahmen müssen auf einer rechtzeitigen und genauen Kenntnis der Tatsachen beruhen. Eine weitere Voraussetzung ist ein auf einer gründlichen Analyse beruhendes Verständnis der Entwicklungen und globalen Tendenzen. Unabdingbar ist darüber hinaus die Bereitschaft zur Ergreifung entsprechender vorbeugender Maßnahmen. In Anbetracht der Tatsache, daß die Ursachen vieler möglicher Konflikte wirtschaftlicher und sozialer Art sind, müssen die Informationen, die die Vereinten Nationen benötigen, sich heutzutage sowohl auf die wirtschaftlichen und sozialen Tendenzen als auch auf die politischen Entwicklungen erstrecken, die zu gefährlichen Spannungen führen können. 

a) In Übereinstimmung mit der Charta muß häufiger auf die Tatsachenermittlung zurückgegriffen werden, wobei diese entweder vom Generalsekretär veranlaßt werden kann, um ihm die Wahrnehmung seiner Verantwortlichkeiten nach der Charta unter Einschluß von Artikel 99 zu ermöglichen, oder vom Sicherheitsrat oder der Generalversammlung. Je nach Sachlage können verschiedene Formen der Tatsachenermittlung Anwendung finden. Der Antrag eines Staates auf Entsendung einer Ermittlungsmission der Vereinten Nationen in sein Hoheitsgebiet sollte ohne ungebührliche Verzögerung geprüft werden. 

b) Kontakte mit den Regierungen der Mitgliedstaaten können dem Generalsekretär detaillierte Informationen über Fragen verschaffen, die zu Besorgnis Anlaß geben. Ich bitte alle Mitgliedstaaten, bereit zu sein, die für eine wirksame vorbeugende Diplomatie erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Ich werde meine eigenen Kontakte durch die regelmäßige Entsendung von hochrangigen offiziellen Vertretern der Vereinten Nationen in die Hauptstädte oder an andere Orte zum Zwecke der Konsultation ergänzen. Derartige Kontakte sind unerläßlich, wenn man sich ein genaues Bild von einer Situation machen und ihre möglichen Weiterungen beurteilen will. 

c) Den Auftrag zur formellen Tatsachenermittlung kann entweder der Sicherheitsrat oder die Generalversammlung erteilen, die jeweils beschließen können, eine dem Rat oder der Generalversammlung unmittelbar unterstellte Mission zu entsenden; sie können auch den Generalsekretär bitten, die erforderlichen Schritte einschließlich der Benennung eines Sonderabgesandten zu unternehmen. Eine solche Mission ist in der Lage, nicht nur die Informationen zu beschaffen, auf deren Grundlage ein Beschluß über weitere Maßnahmen getroffen werden kann, sondern in manchen Fällen auch durch ihre bloße Präsenz eine Konfliktsituation zu entschärfen, indem sie den Parteien vor Augen führt, daß die Vereinten Nationen und insbesondere der Sicherheitsrat aktiv mit der Angelegenheit als einer bereits gegebenen oder möglichen Bedrohung der internationalen Sicherheit befaßt sind. 

d) In Ausnahmefällen kann der Rat auch außerhalb des Amtssitzes zusammentreten, wie dies die Charta vorsieht, nicht nur, um sich selbst unmittelbar ein Bild von der Situation zu machen, sondern auch um in bezug auf eine jeweilige Situation die Autorität der Organisation zur Geltung bringen. 

Frühwarnung 

26. In den letzten Jahren hat das System der Vereinten Nationen ein wertvolles Netz von Frühwarnsystemen aufgebaut, das sich auf Umweltgefahren, das Risiko eines nuklearen Unfalls, Naturkatastrophen, massenhafte Bevölkerungsverschiebungen, drohende Hungersnöte und die Ausbreitung von Krankheiten erstreckt. Es ist allerdings notwendig, die bestehenden Vorkehrungen so weit auszubauen, daß eine Synthese aus den aus diesen Quellen stammenden Informationen und politischen Indikatoren vorgenommen werden kann, die es ermöglicht festzustellen, ob eine Bedrohung des Friedens vorliegt, und zu analysieren, welche Maßnahmen die Vereinten Nationen ergreifen können, um ihr entgegenzuwirken. Es handelt sich dabei um einen Prozeß, der auch künftig die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Sonderorganisationen und der jeweils zuständigen Stellen der Vereinten Nationen erfordern wird. Die daraus hervorgehenden Analysen und Empfehlungen betreffend vorbeugende Maßnahmen werde ich je nach Sachlage an den Sicherheitsrat und an andere Organe der Vereinten Nationen weiterleiten. Darüber hinaus empfehle ich dem Sicherheitsrat, einen entsprechend neubelebten und neustrukturierten Wirtschafts- und Sozialrat zu bitten, gemäß Artikel 65 der Charta Berichte über diejenigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen zu unterbreiten, die, sofern ihnen nicht entgegengewirkt wird, zu einer Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit werden können. 

27. Regionale Abmachungen und Einrichtungen haben bei der Frühwarnung eine wichtige Rolle zu spielen. Ich bitte die Regionalorganisationen, soweit noch nicht geschehen, Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen zu beantragen und sich mittels entsprechender Vereinbarungen den Sicherheitsmechanismen der Vereinten Nationen anzuschließen. 

Vorbeugende Einsätze 

28. Einsätze der Vereinten Nationen in Krisengebieten sind bisher im allgemeinen erst nach Ausbruch eines Konflikts geschaffen worden. Es ist jedoch an der Zeit, sich auf Situationen vorzubereiten, die vorbeugende Einsätze rechtfertigen, die in verschiedenen Fällen und auf unterschiedliche Weise erfolgen könnten. Im Falle einer innerstaatlichen Krise könnte ein vorbeugender Einsatz beispielsweise auf Antrag der betreffenden Regierung oder aller Parteien beziehungsweise mit ihrer Zustimmung erfolgen; bei zwischenstaatlichen Streitigkeiten könnte ein Einsatz erfolgen, wenn zwei Länder der Auffassung sind, daß eine Präsenz der Vereinten Nationen auf beiden Seiten der gemeinsamen Grenze Feindseligkeiten unterbinden würde; darüber hinaus könnte ein vorbeugender Einsatz erfolgen, wenn ein Land sich bedroht fühlt und die Errichtung einer entsprechenden Präsenz der Vereinten Nationen nur auf seiner Seite der Grenze beantragt. In allen Situationen müßten das Mandat und die Zusammensetzung der VN-Präsenz sorgfältig durchdacht und allen Beteiligten verständlich sein. 

29. Bei einer Krise innerhalb eines Landes könnte ein auf Antrag der betreffenden Regierung oder mit Zustimmung aller Parteien erfolgender vorbeugender Einsatz auf verschiedene Weise zur Linderung des Leids und zur Begrenzung oder Eindämmung der Gewalt beitragen. Eine unparteiisch gewährte humanitäre Hilfe könnte von entscheidender Bedeutung sein; durch Militär-, Polizei- oder Zivilpersonal geleistete Hilfe bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit könnte Menschenleben retten und ein Sicherheitsklima schaffen, in dem Verhandlungen stattfinden können; auf Wunsch der Parteien könnten die Vereinten Nationen außerdem bei Vergleichsbemühungen behilflich sein. Unter bestimmten Umständen ist es dabei durchaus möglich, daß die Vereinten Nationen auf die fachlich spezialisierten Fähigkeiten und Ressourcen verschiedener Teile des Systems der Vereinten Nationen zurückgreifen müssen, und es ist nicht ausgeschlossen, daß bei solchen Einsätzen gelegentlich auch nichtstaatliche Organisationen zur Mitwirkung herangezogen werden. 

30. In solchen inneren Krisensituationen werden die Vereinten Nationen die Souveränität des betroffenen Staates achten müssen; dies nicht zu tun, stände im Widerspruch zu dem, wovon die Mitgliedstaaten ausgegangen sind, als sie die Grundsätze der Charta angenommen haben. Die Vereinten Nationen müssen sich das mit großer Sorgfalt ausgehandelte Gleichgewicht, das die Leitlinien in der Anlage zur Resolution 46/182 der Generalversammlung vom 19. Dezember 1991 prägt, stets vor Augen halten. In diesen Leitlinien wurde unter anderem betont, daß humanitäre Hilfe im Einklang mit den Grundsätzen der Humanität, der Neutralität und der Unparteilichkeit geleistet werden muß, daß die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit und die nationale Einheit der Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen voll geachtet werden müssen, und daß in diesem Zusammenhang humanitäre Hilfe mit Zustimmung des betreffenden Landes und grundsätzlich aufgrund eines Hilfsappells des betroffenen Landes gewährt werden sollte. In den Leitlinien wurde außerdem die Verantwortung des jeweiligen Staates für die Versorgung der Opfer von Notstandssituationen auf seinem Hoheitsgebiet sowie die Notwendigkeit des Zugangs zu denjenigen, die humanitäre Hilfe benötigen, hervorgehoben. Nach dem Maßstab dieser Leitlinien würde der Antrag einer Regierung auf ein Eingreifen der Vereinten Nationen oder ihre Zustimmung dazu weder eine Beeinträchtigung der Souveränität dieses Staates darstellen noch im Widerspruch zu Artikel 2 Absatz 7 der Charta stehen, der sich auf Angelegenheiten bezieht, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören. 

31. Bei zwischenstaatlichen Streitigkeiten empfehle ich, - soweit beide Staaten zustimmen - und der Sicherheitsrat zu der Schlußfolgerung gelangt, daß die Wahrscheinlichkeit von Feindseligkeiten zwischen Nachbarländern durch die vorbeugende Errichtung einer Präsenz der Vereinten Nationen auf dem Hoheitsgebiet jedes Staates ausgeräumt werden kann -, eine solche Maßnahme durchzuführen. Die Art der wahrzunehmenden Aufgaben würde die Zusammensetzung der Präsenz der Vereinten Nationen bestimmen. 

32. In Fällen, in denen eine Nation einen grenzüberschreitenden Angriff befürchtet, empfehle ich, - soweit der Sicherheitsrat zu der Schlußfolgerung gelangt, daß eine mit Zustimmung lediglich des antragstellenden Landes erfolgende Errichtung einer Präsenz der Vereinten Nationen auf einer Seite der Grenze einen Konflikt verhindern würde -, einen vorbeugenden Einsatz durchzuführen. Auch in diesem Falle würde die jeweiligen Beschaffenheit der Situation das Mandat und das zu seiner Erfüllung benötigte Personal bestimmen. 

Entmilitarisierte Zonen 

33. Bislang sind entmilitarisierte Zonen durch eine Vereinbarung zwischen den Parteien bei Beendung eines Konflikts geschaffen worden. Neben der Entsendung von Personal der Vereinten Nationen in diese Zonen als Teil von Friedenseinsätzen sollte jetzt auch erwogen werden, ob sich solche Zonen nicht auch als Form eines vorbeugenden Einsatzes eignen, und zwar auf beiden Seiten einer Grenze mit Zustimmung beider Parteien zur Trennung potentieller Kriegsparteien, oder auf einer Seite der Linie, auf Ersuchen einer Partei, um jeden Vorwand für einen Angriff von vornherein zu entkräften. Entmilitarisierte Zonen würden symbolisch davon zeugen, daß der internationalen Gemeinschaft an der Verhütung eines Konflikts gelegen ist. 


IV. FRIEDENSSCHAFFUNG 

34. Zwischen den Aufgaben des Versuchs einer Konfliktverhütung und einer Friedenssicherung liegt die Aufgabe, mit friedlichen Mitteln zu versuchen, die Streitparteien zu einer Einigung zu bewegen. Das Kapitel VI der Charta enthält eine umfassende Liste solcher Mittel der Konfliktbeilegung. Diesen Mitteln wurden in von der Generalversammlung verabschiedeten Erklärungen, so auch der 1982 verabschiedeten Erklärung von Manila über die friedliche Beilegung von internationalen Streitigkeiten (2) und der 1988 verabschiedeten Erklärung über die Verhütung und Beseitigung von Streitigkeiten und Situationen, die den Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedrohen können, und über die Rolle der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet (3), noch weitere hinzugefügt. Sie waren ferner Gegenstand verschiedener Resolutionen der Generalversammlung, so auch der Resolution 44/21 vom 15. November 1989 über die Festigung des internationalen Friedens, der Sicherheit und der internationalen Zusammenarbeit unter allen Aspekten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen. Die Vereinten Nationen verfügen über weitreichende Erfahrung bei der Anwendung dieser friedlichen Mittel. Wenn Konflikte dennoch ungelöst geblieben sind, so ist dies nicht darauf zurückzuführen, daß Verfahren für die friedliche Beilegung nicht bekannt waren oder unzulänglich gewesen wären. Schuld daran ist vielmehr erstens der mangelnde politische Wille der Parteien, sich durch Mittel der in Kapitel VI der Charta angeregten Art um eine Bereinigung ihrer Differenzen zu bemühen, und zweitens der Umstand, daß Dritten bei Wahl dieses Verfahrens keine Möglichkeiten der Einflußnahme gegeben sind. Auch die Gleichgültigkeit der internationalen Gemeinschaft gegenüber einem Problem oder die geringe ihm beigemessene Bedeutung können die Möglichkeit einer Lösung zunichte machen. Dies sind die Fragen, mit denen wir uns in erster Linie auseinandersetzen müssen, wenn wir die Organisation in die Lage versetzen wollen, friedliche Konfliktregelungen herbeizuführen. 

35. Die Tatsache, daß der Sicherheitsrat jetzt entschlossen ist, internationale Streitigkeiten in der in der Charta vorgesehenen Weise zu erledigen, hat ihm den Weg zu einer aktiveren Rolle geebnet. Aufgrund seiner größeren Geeintheit verfügt er nunmehr über die Möglichkeit einer stärkeren Einflußnahme und die Überzeugungskraft, die notwendig sind, um verfeindete Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Ich bitte den Rat nachdrücklich, von den Bestimmungen der Charta vollen Gebrauch zu machen, denen zufolge er geeignete Verfahren oder Methoden für die Streitbeilegung empfehlen und, sofern alle Streitparteien darum ersuchen, den Parteien Empfehlungen für eine friedliche Streitbeilegung unterbreiten kann. 

36. Wie dem Sicherheitsrat und dem Generalsekretär, so weist die Charta auch der Generalversammlung eine wichtige Rolle bei der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu. Als universales Forum muß ihr die rechtliche Befugnis zuerkannt werden, geeignete Maßnahmen zu prüfen und zu empfehlen. Es ist daher außerordentlich wichtig, ihre Inanspruchnahme durch alle Staaten mit dem Ziel zu fördern, größeren Einfluß auf die Verhütung oder Eindämmung von Situationen auszuüben, die geeignet sind, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu gefährden. 

37. Vermittlung und Verhandlungen können durch einen Beauftragten wahrgenommen werden, den der Sicherheitsrat, die Generalversammlung oder der Generalsekretär ernennt. Die Vereinten Nationen bedienen sich zur Förderung von Friedensprozessen seit langem angesehener Staatsmänner. Sie können ein persönliches Prestige einbringen, das zusammen mit ihrer Erfahrung die Parteien zur Aufnahme ernsthafter Verhandlungen bewegen kann. Viele sind bereit, sich für solche Dienste zur Verfügung zu stellen, und ich werde auch in Zukunft im Bedarfsfall auf sie zurückgreifen. Vielfach übernimmt der Generalsekretär diese Aufgabe selbst. Die Wirksamkeit des Vermittlers wird zwar durch eine starke und eindeutige Unterstützung seitens des Rates, der Generalversammlung und der jeweiligen in ihrer nationalen Eigenschaft handelnden Mitgliedstaaten verstärkt, doch können die Guten Dienste des Generalsekretärs manchmal am wirksamsten eingesetzt werden, wenn sie unabhängig von den beratenden Organen wahrgenommen werden. Unabdingbar ist jedoch, daß der Generalsekretär und der Sicherheitsrat laufend enge Konsultationen führen, damit volle Klarheit darüber besteht, wie der Rat am besten Einfluß nehmen kann, und damit eine gemeinsame Strategie für die friedliche Beilegung der jeweiligen Streitigkeit ausgearbeitet werden kann. 

Der Internationale Gerichtshof 

38. Obgleich die beim Internationalen Gerichtshof anhängigen Fälle immer zahlreicher werden, wird noch immer zu wenig auf ihn als ein Mittel zur friedlichen Entscheidung von Streitigkeiten zurückgegriffen. Eine stärkere Inanspruchnahme des Gerichtshofs wäre ein wichtiger Beitrag zu den friedenschaffenden Maßnahmen der Vereinten Nationen. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, daß der Sicherheitsrat nach den Artikeln 36 und 37 der Charta befugt ist, den Mitgliedstaaten zu empfehlen, eine Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof, einem Schiedsverfahren oder anderen Mechanismen der Streitbeilegung zu unterbreiten. Ich empfehle, daß der Generalsekretär gemäß Artikel 96 Absatz 2 der Charta ermächtigt wird, von der gutachterlichen Kompetenz des Gerichtshofs Gebrauch zu machen, und daß andere Organe der Vereinten Nationen, die dazu bereits ermächtigt sind, sich häufiger zwecks Einholung von Gutachten an den Gerichtshof wenden. 

39. Ich empfehle die folgenden Maßnahmen zur Stärkung der Rolle des Internationalen Gerichtshofs: 

a) Alle Mitgliedstaaten sollten sich nach Artikel 36 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs ohne Vorbehalt vor Ablauf der Völkerrechtsdekade der Vereinten Nationen im Jahre 2000 der allgemeinen Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes unterwerfen. Ist dies aufgrund innerstaatlicher Gegebenheiten nicht möglich, so sollten die Staaten bilateral oder multilateral einer umfassenden Liste von Angelegenheiten zustimmen, die sie bereit sind, dem Gerichtshof zu unterbreiten, und sie sollten in den Streitbeilegungsklauseln multilateraler Verträge ihre Vorbehalte in bezug auf seine Gerichtsbarkeit zurückziehen; 

b) Kann eine Streitigkeit nicht dem Plenum des Gerichtshofs unterbreitet werden, so sollte von der Gerichtsbarkeit der Kammern Gebrauch gemacht werden; 

c) Die Staaten sollten den Treuhandfonds unterstützen, der geschaffen worden ist, um denjenigen Ländern zu helfen, welche die mit der Anhängigmachung einer Streitigkeit beim Gerichtshof verbundenen Kosten nicht aufbringen können, und diese Länder sollten zur Bereinigung ihrer Streitigkeiten von dem Fonds vollen Gebrauch machen. 

Entschärfung durch Hilfeleistung 

40. Die Friedensschaffung wird manchmal durch internationale Maßnahmen zur Entschärfung der Umstände erleichtert, die zu einer Streitigkeit oder einem Konflikt beigetragen haben. Sind beispielsweise Hilfsmaßnahmen für Vertriebene in einer Gesellschaft unverzichtbare Voraussetzung für eine Lösung, so sollten die Vereinten Nationen in der Lage sein, auf die Ressourcen aller in Betracht kommenden Organisationen und Programme zurückzugreifen. Derzeit gibt es keinen angemessenen Mechanismus in den Vereinten Nationen, mit dessen Hilfe der Sicherheitsrat, die Generalversammlung oder der Generalsekretär die für eine solche positive Einflußnahme benötigten Ressourcen mobilisieren und die kollektiven Anstrengungen des Systems der Vereinten Nationen in den Dienst einer friedlichen Konfliktbereinigung stellen kann. Ich habe dieses Konzept im Verwaltungsausschuß für Koordinierung zur Sprache gebracht, in dem die Leiter der Organisationen und Programme der Vereinten Nationen zusammentreffen; zur Zeit untersuchen wir, mit welchen Verfahren das interinstitutionelle System seinen Beitrag zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten verbessern kann. 

Sanktionen und besondere wirtschaftliche Probleme 

41. In Fällen, in denen die Friedensschaffung die Verhängung von Sanktionen nach Artikel 41 der Charta erfordert, ist es wichtig, daß Staaten, für die sich dadurch besondere wirtschaftliche Probleme ergeben, nicht nur das Recht haben, den Sicherheitsrat hinsichtlich dieser Probleme zu konsultieren, wie dies in Artikel 50 vorgesehen ist, sondern daß sie auch wirklich damit rechnen können, daß man sich ihrer Schwierigkeiten annimmt. Ich empfehle dem Sicherheitsrat, ein Maßnahmenbündel auszuarbeiten, das die Finanzinstitutionen und anderen Stellen des Systems der Vereinten Nationen einbezieht, und das dann umgesetzt werden kann, um die Staaten gegen solche Schwierigkeiten abzusichern. Solche Maßnahmen wären nicht nur recht und billig, sondern auch ein Mittel, um die Staaten dazu zu ermutigen, sich die Beschlüsse des Rates zu eigen zu machen. 

Anwendung militärischer Gewalt 

42. Das Konzept der kollektiven Sicherheit, wie es in der Charta enthalten ist, baut auf dem Kerngedanken auf, daß im Falle des Versagens friedlicher Mittel die in Kapitel VII vorgesehenen Maßnahmen auf Beschluß des Sicherheitsrats eingesetzt werden sollten, um bei Bedrohung oder Bruch des Friedens oder bei einer Angriffshandlung den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten und wiederherzustellen. Der Sicherheitsrat hat bisher noch keinen Gebrauch von den stärksten dieser Zwangsmaßnahmen gemacht, nämlich dem in Artikel 42 vorgesehenen Vorgehen mit militärischer Gewalt. In der Situation zwischen Irak und Kuwait hat es der Rat vorgezogen, Mitgliedstaaten zu ermächtigen, in seinem Namen Maßnahmen zu ergreifen. Die Charta gibt jedoch eine detaillierte Vorgehensweise vor, die nunmehr die Aufmerksamkeit aller Mitgliedstaaten verdient. 

43. Nach Artikel 42 der Charta ist der Sicherheitsrat ermächtigt, militärische Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durchzuführen. Obwohl diese Maßnahmen erst durchgeführt werden sollten, wenn alle friedlichen Mittel versagt haben, so ist die Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme doch unabdingbar für die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen als Garant der internationalen Sicherheit. Dazu wird es notwendig sein, daß auf dem Verhandlungsweg die in Artikel 43 der Charta vorgesehenen Sonderabkommen geschlossen werden, mit denen die Mitgliedstaaten sich verpflichten, dem Sicherheitsrat für die in Artikel 42 genannten Zwecke nicht nur in Einzelfällen, sondern ständig Streitkräfte zur Verfügung zu stellen, Beistand zu leisten und Erleichterungen zu gewähren. Unter den seit Verabschiedung der Charta jetzt erstmals gegebenen politischen Umständen sollten die Hindernisse nicht mehr bestehen, die dem Abschluß solcher Sonderabkommen seit langem im Wege stehen. Die Tatsache, daß auf Abruf bereitstehende Streitkräfte jederzeit verfügbar sind, könnte für sich allein bereits als Abschreckungsmittel für Friedensbrüche dienen, da ein potentieller Angreifer wüßte, daß der Rat über entsprechende Reaktionsmöglichkeiten verfügt. Die Streitkräfte nach Artikel 43 werden vielleicht niemals zahlreich genug oder gut genug ausgerüstet sein, um der Bedrohung seitens eines mit hochmodernen Waffen ausgerüsteten großen Heeres gewachsen zu sein. Sie würden jedoch ausreichen, um eine Bedrohung seitens einer weniger großen Militärmacht abzuwehren. Ich empfehle dem Sicherheitsrat, mit Unterstützung des Generalstabsausschusses, dessen Mitgliedschaft gemäß Artikel 47 Absatz 2 der Charta erforderlichenfalls erweitert werden kann, Verhandlungen gemäß Artikel 43 aufzunehmen. Meines Erachtens sollte die Rolle des Generalstabsausschusses im Kontext von Kapitel VII und nicht im Kontext der Planung oder Abwicklung von Friedensoperationen gesehen werden. 

Truppen zur Friedensdurchsetzung 

44. Die nach Artikel 43 vorgesehenen Streitkräfte hätten den Auftrag, auf einen unmittelbar bevorstehenden oder bereits erfolgten Angriff, der den Tatbestand der Aggression erfüllt, zu reagieren. Streitkräfte dieser Art werden in absehbarer Zeit kaum zur Verfügung stehen. Waffenruhen wurden oft vereinbart, sind aber nicht eingehalten worden, und die Vereinten Nationen wurden manchmal aufgefordert, Truppen zu entsenden, um die Waffenruhe wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten. Diese Aufgabe kann gelegentlich über den Auftrag an die Friedenstruppen und die Erwartungen der truppenstellenden Länder hinausgehen. Ich empfehle dem Rat, er möge in Erwägung ziehen, unter klar abgegrenzten Umständen Truppen zur Friedensdurchsetzung mit einer vorher festgelegten Aufgabenstellung einzusetzen. Diese von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Truppen würden auf Abruf bereitstehen und würden sich aus Freiwilligen zusammensetzen. Sie müßten schwerer bewaffnet sein als Friedenstruppen und müßten sich im Rahmen der Streitkräfte ihres Landes einer umfassenden vorbereitenden Ausbildung unterziehen. Die Entsendung und der Einsatz dieser Truppen vor Ort würde aufgrund einer Ermächtigung des Sicherheitsrats erfolgen, und sie würden, wie die Friedenstruppen, dem Generalsekretär unterstellt. Ich halte solche Truppen zur Friedensdurchsetzung als eine vorläufige Maßnahme nach Artikel 40 der Charta für gerechtfertigt. Diese Truppen zur Friedensdurchsetzung sind weder mit den Streitkräften zu verwechseln, die zu gegebener Zeit nach Artikel 43 aufgestellt werden könnten, um gegen Angriffshandlungen vorzugehen, noch mit dem Militär, das die Regierungen gegebenenfalls bereit sind, als möglichen Beitrag zu Friedensoperationen auf Abruf bereitzuhalten. 

45. So wie die Diplomatie nach wie vor auf alle in diesem Bericht behandelten Bereiche einwirken wird, mag es auch gar keine scharfe Trennung zwischen der Friedensschaffung und der Friedenssicherung geben. Die Friedensschaffung ist häufig der Auftakt zur Friedenssicherung - so wie die Errichtung einer Präsenz der Vereinten Nationen vor Ort die Möglichkeiten zur Konfliktverhütung erweitern, die Arbeit der Friedensschaffung erleichtern und in vielen Fällen als Voraussetzung für eine Friedenskonsolidierung dienen kann. 


V. FRIEDENSSICHERUNG 

46. Die Friedenssicherung kann mit Recht als eine Erfindung der Vereinten Nationen bezeichnet werden. Sie hat in zahlreichen Spannungsgebieten der ganzen Welt ein gewisses Maß an Stabilität herbeigeführt. 

Wachsende Anforderungen 

47. Zwischen 1945 und 1987 sind dreizehn Friedensoperationen durchgeführt worden; seitdem weitere dreizehn. Bis Januar 1992 hatten schätzungsweise 528.000 Personen - Militär, Polizei und Zivilisten - unter der Flagge der Vereinten Nationen gedient. Davon haben mehr als 800 Menschen aus 43 Ländern im Dienste der Organisation den Tod gefunden. Die Kosten dieser Einsätze beliefen sich bis 1992 auf insgesamt etwa 8,3 Milliarden US-Dollar. Die noch offenen Rückstände dafür betragen über 800 Millionen Dollar, was eine noch unbeglichene Schuld der Vereinten Nationen bei den truppenstellenden Ländern darstellt. Obzwar die Kosten der derzeit gebilligten Friedensoperationen sich in dem laufenden Zwölfmonatszeitraum auf fast 3 Milliarden Dollar belaufen werden, gehen die Zahlungen untragbar langsam ein. Zum Vergleich sei erwähnt, daß sich die Verteidigungsausgaben am Ende des letzten Jahrzehnts weltweit auf fast 1 Billion Dollar pro Jahr oder 2 Millionen Dollar pro Minute beliefen. 

48. Der Gegensatz zwischen den Kosten für Friedenssicherungsmaßnahmen der Vereinten Nationen und den Kosten der Alternative, nämlich Krieg - zwischen den Anforderungen an die Organisation und den Mitteln, die ihr dafür zur Verfügung gestellt werden - wäre lachhaft, wenn nicht die Folgen für die Stabilität in der Welt und die Glaubwürdigkeit der Organisation so gravierend wären. In einer Zeit, in der die Nationen und Völker von den Vereinten Nationen immer häufiger Beistand bei der Wahrung des Friedens erwarten - und sie verantwortlich machen, wenn sie diese Hilfe nicht gewähren können -, müssen grundlegende Beschlüsse gefaßt werden, um die Kapazität der Vereinten Nationen zur Wahrnehmung dieses innovativen und produktiven Aspekts ihrer Aufgaben zu erhöhen. Ich bin mir dessen bewußt, daß das derzeitige Volumen und die Unvorhersehbarkeit der Veranlagung für Beiträge zur Friedenssicherung einige Mitgliedstaaten vor echte Probleme stellt. Ich unterstütze daher nachdrücklich die in einigen Mitgliedstaaten gemachten Vorschläge, ihre Beiträge für die Friedenssicherung aus dem Verteidigungshaushalt statt aus dem Haushalt für auswärtige Angelegenheiten zu finanzieren, und ich empfehle anderen Ländern, diesem Beispiel zu folgen. Ich bitte die Generalversammlung nachdrücklich, für ein solches Vorgehen einzutreten. 

49. Die Anforderungen, die in bezug auf friedensichernde und friedenkonsolidierende Operationen an die Vereinten Nationen gestellt werden, werden die Kapazität, den politischen und finanziellen Willen und die Kreativität des Sekretariats und der Mitgliedstaaten auch in den kommenden Jahren vor Herausforderungen stellen. Wie der Sicherheitsrat begrüße auch ich es, daß die Zahl der Friedenseinsätze zugenommen und die Friedenssicherung sich auf neue Aufgabenbereiche ausgedehnt hat. 

Neue Ansätze in der Friedenssicherung 

50. Das Wesen des Friedenseinsatzes hat in den letzten Jahren eine rapide Entwicklung durchlaufen. Die etablierten Grundsätze und Verfahren der Friedenssicherung sind den neuen Anforderungen der letzten Jahre flexibel gerecht geworden, und die Grundvoraussetzungen für einen Erfolg sind auch weiterhin ein klarer und durchführbarer Auftrag; die Zusammenarbeit der Parteien bei der Ausführung dieses Auftrags; die kontinuierliche Unterstützung seitens des Sicherheitsrats; die Bereitschaft der Mitgliedstaaten, das benötigte Militär-, Polizei- und Zivilpersonal einschließlich Spezialisten zur Verfügung zu stellen; eine wirksame Führung der Vereinten Nationen am Amtssitz und vor Ort; und eine angemessene finanzielle und logistische Unterstützung. In dem Maße, in dem das internationale Klima sich wandelt und Friedensoperationen immer häufiger ins Leben gerufen werden, um von den Friedensstiftern ausgehandelte Regelungen durchzusetzen, hat sich eine Vielfalt von neuen Anforderungen und Problemen in bezug auf die Logistik, die Ausrüstung, das Personal und die Finanzierung ergeben, die alle behoben werden könnten, wenn die Mitgliedstaaten dies wollten und bereit wären, die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. 

Personal 

51. Die Mitgliedstaaten sind sehr daran interessiert, sich an Friedenseinsätzen zu beteiligen. Militärbeobachter und Infanterie stehen immer in der erforderlichen Zahl zur Verfügung, Versorgungseinheiten stellen hingegen ein größeres Problem dar, da nur wenige Heere es sich leisten können, solche Einheiten auf längere Zeit zu entbehren. Im Jahre 1990 wurden die Mitgliedstaaten ersucht bekanntzugeben, welches Militärpersonal sie grundsätzlich bereit wären, zur Verfügung zu stellen; es gingen darauf nur wenige Antworten ein. Ich ersuche alle Mitgliedstaaten erneut um eine offene, umgehende Antwort. Verfügungsbereitschaftsabkommen sollten gegebenenfalls durch Notenwechsel zwischen dem Sekretariat und den Mitgliedstaaten bestätigt werden, woraus hervorgeht, welche Art und Anzahl von Fachpersonal die Staaten den Vereinten Nationen anzubieten bereit sind, sobald sich aufgrund neuer Einsätze Bedarf ergibt. 

52. Die Friedenssicherung verlangt in zunehmendem Maße, daß Zivilisten, wie Beamte für politische Fragen, Menschenrechtsbeobachter, Wahlbeobachter, Spezialisten für Flüchtlings- und humanitäre Hilfe und Polizisten, eine ebenso zentrale Rolle übernehmen wie das Militär. Es erweist sich als immer schwieriger, Polizisten in der benötigten Anzahl zu erhalten. Ich empfehle, daß die Vorkehrungen für die Ausbildung von zivilem, polizeilichem oder militärischem Friedenssicherungspersonal unter Inanspruchnahme der vielfältigen Möglichkeiten der Regierungen der Mitgliedstaaten, der nichtstaatlichen Organisationen und der Einrichtungen des Sekretariats überprüft und verbessert werden. Mit dem Fortschreiten der Bemühungen, weitere Staaten zur Beitragsleistung zu gewinnen, sollten sich einige Staaten, die über ein beträchtliches Potential verfügen, auf die Sprachausbildung von Polizeikontingenten konzentrieren, die in den Dienst der Organisation gestellt werden können. Was die Vereinten Nationen selbst betrifft, sollten besondere personalpolitische Verfahren, auch besondere Anreize, eingeführt werden, um die rasche Versetzung von Sekretariatsmitarbeitern zu Friedensoperationen zu ermöglichen. Die Zahl der in Sekretariatsdiensten stehenden militärischen Mitarbeiter muß erhöht und ihre Kapazität muß verbessert werden, damit sie den neuen und schwierigeren Anforderungen auch gewachsen sind. 

Logistik 

53. Nicht alle Regierungen können ihre Bataillone mit dem Gerät ausstatten, das sie für den Dienst im Ausland benötigen. Einiges Gerät wird zwar von den truppenstellenden Ländern eingebracht, ein beträchtlicher Teil muß jedoch von den Vereinten Nationen bereitgestellt werden, so auch zur Ergänzung der unzureichenden Ausrüstung der Einheiten einzelner Staaten. Die Vereinten Nationen verfügen über keine ständigen Vorräte an solchen Gerätschaften. Sie müssen bei den Herstellern in Auftrag gegeben werden, was eine Reihe von Schwierigkeiten mit sich bringt. Es sollte ein ständiger Vorrat an hauptsächlichen Gerätschaften für die Friedenssicherung geschaffen werden, damit bei Beginn eines Einsatzes sofort wenigstens einige Fahrzeuge, Fernmeldegeräte, Generatoren usw. zur Verfügung stehen. Andernfalls sollten sich die Regierungen verpflichten, bestimmte vom Generalsekretär genauer festzulegende Geräte auf Abruf bereitzuhalten, um sie den Vereinten Nationen bei Bedarf sofort zu verkaufen beziehungsweise leihweise oder unentgeltlich zu überlassen. 

54. Soweit die Mitgliedstaaten dazu in der Lage sind, sollten sie den Vereinten Nationen Luft- und Seetransportkapazität kostenlos oder unter dem Handelswert zur Verfügung stellen, wie dies bis noch vor kurzem üblich war. 


VI. FRIEDENSKONSOLIDIERUNG IN DER KONFLIKTFOLGEZEIT 

55. Um wirklich erfolgreich zu sein, werden friedenschaffende und friedensichernde Einsätze auch umfassende Anstrengungen zur Ermittlung und Förderung von Strukturen beinhalten müssen, die geeignet sind, den Frieden zu konsolidieren und bei den Menschen ein Gefühl des Vertrauens und Wohlbefindens zu fördern. Im Rahmen von Vereinbarungen zur Beendigung von Auseinandersetzungen innerhalb eines Landes kann dazu gehören: die Entwaffnung der verfeindeten Parteien und die Wiederherstellung der Ordnung, das Einsammeln der Waffen und gegebenenfalls deren Vernichtung, die Repatriierung von Flüchtlingen, die Unterstützung der Sicherheitskräfte durch Beratung und Ausbildung, die Überwachung von Wahlen, die Förderung von Bemühungen zum Schutz der Menschenrechte, die Reform oder Stärkung der staatlichen Institutionen und die Förderung der formellen und informellen Prozesse der politischen Mitwirkung. 

56. Im Gefolge eines internationalen Krieges kann die Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit die Gestalt konkreter Kooperationsprojekte annehmen, die zwei oder mehrere Länder in einem allseitig nutzbringenden Vorhaben zusammenbringen, das nicht nur zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung beiträgt, sondern auch das für den Frieden so grundlegende Vertrauen stärkt. Ich denke dabei beispielsweise an Projekte, die Staaten zur Entwicklung der Landwirtschaft, zur Verbesserung des Verkehrswesens oder zur Nutzung von untereinander zu teilenden Ressourcen wie Wasser oder Strom zusammenführen, oder auch an gemeinsame Programme zum Abbau der Schranken zwischen den Nationen durch Erleichterungen des Reiseverkehrs, Kulturaustausch und gegenseitig nutzbringende Jugend- und Bildungsprojekte. Der Abbau von Feindbildern durch einen Schüler- und Lehreraustausch und durch Reformen der Lehrpläne ist möglicherweise eine unverzichtbare Voraussetzung, um einem Wiederauftreten kultureller und nationaler Spannungen vorzubeugen, durch die erneute Feindseligkeiten ausgelöst werden könnten. 

57. Betrachtet man die gesamte Bandbreite der Friedensbemühungen, so sollte das Konzept der Friedenskonsolidierung - als Schaffung eines neuen Klimas - als das Gegenstück der vorbeugenden Diplomatie gesehen werden, die bestrebt ist, den Zusammenbruch des Friedenszustandes zu vermeiden. Wenn ein Konflikt ausbricht, kommen die Bemühungen zur Friedensschaffung und Friedenssicherung ins Spiel, die einander gegenseitig ergänzen. Haben diese einmal ihr Ziel erreicht, können nur nachhaltige, kooperative Anstrengungen zur Bewältigung der zugrundeliegenden wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und humanitären Probleme dem erzielten Frieden eine dauerhafte Grundlage verschaffen. Durch die vorbeugende Diplomatie soll eine Krise vermieden, durch die Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit ihr Wiederaufleben verhütet werden. 

58. Es wird zunehmend deutlich, daß die Friedenskonsolidierung nach inneren oder internationalen Auseinandersetzungen sich des ernsten Problems der Landminen annehmen muß, von denen Millionen und Abermillionen nach wie vor in derzeitigen oder ehemaligen Kampfgebieten verstreut sind. Die Minenräumung sollte in der Aufgabenstellung für Friedensoperationen besonders hervorgehoben werden; sie ist bei der Wiederherstellung normaler Lebensverhältnisse im Zuge der Friedenskonsolidierung von ausschlaggebender Wichtigkeit: Die Landwirtschaft kann ohne Minenräumung nicht wieder aufgenommen werden, und die Wiederherstellung der Verkehrsinfrastruktur erfordert möglicherweise den Bau von Straßen mit harter Fahrbahndecke, um einer erneuten Verminung vorzubeugen. In solchen Fällen wird die Verbindung zwischen Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung offensichtlich. So wie entmilitarisierte Zonen der Sache der vorbeugenden Diplomatie und vorbeugende Einsätze der Konfliktverhütung dienlich sein können, kann die Entmilitarisierung zur Friedenssicherung oder zur Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit beitragen, als eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, das Sicherheitsgefühl zu steigern und die Streitparteien dazu anzuhalten, ihre Kräfte dem friedlichen Wiederaufbau ihrer Gesellschaft zuzuwenden. 

59. Es besteht Bedarf an einer neuen Art technischer Hilfe, die zu entwickeln und auf Antrag bereitzustellen den Vereinten Nationen obliegt: Unterstützung bei der Umgestaltung unzulänglicher einzelstaatlicher Strukturen und Kapazitäten und bei der Stärkung neuer demokratischer Institutionen. Die Ermächtigung der Vereinten Nationen für ein Tätigwerden auf diesem Gebiet würde sich aus der übereinstimmenden Erkenntnis ableiten, daß der soziale Frieden ebenso wichtig ist wie der strategische oder der politische Frieden. Zwischen demokratischen Gepflogenheiten - wie dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und der Transparenz der Entscheidungsfindung - und der Herbeiführung wahren Friedens und echter Sicherheit in einer neuen und stabilen politischen Ordnung besteht ein offenkundiger Zusammenhang. Es gilt, diese Teilelemente einer guten Wahrung der öffentlichen Belange auf allen Ebenen der internationalen und einzelstaatlichen politischen Gemeinwesen zu fördern. 


VII. ZUSAMMENARBEIT MIT REGIONALEN ABMACHUNGEN UND ORGANISATIONEN 

60. In ihrem Artikel 21 hat die Satzung des Völkerbundes die Gültigkeit regionaler Vereinbarungen, welche die Erhaltung des Friedens sicherstellen, anerkannt. Die Charta widmet Kapitel VIII den regionalen Abmachungen oder Einrichtungen zur Behandlung derjenigen die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit betreffenden Angelegenheiten, bei denen Maßnahmen regionaler Art angebracht sind und die mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen vereinbar sind. Die entsprechende Anwendung des Kapitels VIII ist durch den Kalten Krieg behindert worden, und regionale Abmachungen haben sich während dieser Zeit der Beilegung von Streitigkeiten nach den in der Charta vorgesehenen Modalitäten sogar gelegentlich widersetzt. 

61. Die Charta grenzt den Begriff der regionalen Abmachungen und Einrichtungen absichtlich nicht genau ab und gewährt damit ein nützliches Maß an Flexibilität für das Vorgehen einer Gruppe von Staaten im Hinblick auf Angelegenheiten, bei denen regionale Maßnahmen angebracht sind, was auch zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beitragen könnte. Bei Zusammenschlüssen oder Gebilden dieser Art könnte es sich um Vertragsorganisationen handeln, gleichviel ob sie vor oder nach der Gründung der Vereinten Nationen geschaffen wurden, um regionale Organisationen zur Gewährleistung der gegenseitigen Sicherheit und Verteidigung, um Organisationen im Dienste der allgemeinen regionalen Entwicklung oder zur Zusammenarbeit in bezug auf ein bestimmtes wirtschaftliches Thema oder Aufgabengebiet oder um Gruppen, die geschaffen worden sind, um sich mit einem eng umrissenen politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Fragenkomplex von aktuellem Belang auseinanderzusetzen. 

62. Hier haben die Vereinten Nationen in jüngster Zeit den Anstoß zu einer breiten Vielfalt sich gegenseitig ergänzender Bemühungen gegeben. So wie keine Region oder Situation genau der anderen gleicht, muß auch die Ausgestaltung der Kooperationsmaßnahmen und die entsprechende Arbeitsteilung flexibel und kreativ den Gegebenheiten des jeweiligen Falles angepaßt werden. In Afrika unternehmen drei verschiedene Regionalgruppen - die Organisation der afrikanischen Einheit, die Liga der arabischen Staaten und die Organisation der Islamischen Konferenz - gemeinsame Anstrengungen mit den Vereinten Nationen in bezug auf Somalia. Was Asien betrifft, so sind der Verband Südostasiatischer Nationen sowie einzelne Staaten aus mehreren Regionen mit den kambodschanischen Konfliktparteien in Paris zu einer internationalen Konferenz zusammengetroffen, um mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten. Im Falle von El Salvador hat eine in ihrer Art einmalige Einrichtung, die "Freunde des Generalsekretärs", zum Abschluß von Übereinkünften beigetragen, die durch die Vermittlung des Generalsekretärs erzielt wurden. Das Ende des Krieges in Nicaragua wurde durch außerordentlich vielschichtige Anstrengungen erreicht, die von den politischen Führern der Region in die Wege geleitet und von einzelnen Staaten, Staatengruppen und der Organisation der amerikanischen Staaten durchgeführt wurden. Mit Unterstützung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa unternommene Bemühungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten sind von zentraler Bedeutung für die Bewältigung der Krise im Balkan und in den benachbarten Gebieten. 

63. In der Vergangenheit entstanden regionale Abmachungen oftmals aufgrund des Fehlens eines universalen Systems der kollektiven Sicherheit; somit kam es gelegentlich vor, daß ihre Aktivitäten im Widerspruch zu dem für die Wirksamkeit der Weltorganisation erforderlichen Geist der Solidarität standen. In der heutigen Zeit jedoch, in der sich uns neue Möglichkeiten darbieten, können regionale Abmachungen oder Einrichtungen wertvolle Dienste leisten, wenn sie ihre Tätigkeit so gestalten, daß sie mit den Zielen und Grundsätzen der Charta vereinbar ist, und wenn ihr Verhältnis zu den Vereinten Nationen und insbesondere zum Sicherheitsrat den Bestimmungen von Kapitel VIII der Charta folgt. 

64. Es ist nicht Zweck dieses Berichts, formelle Modalitäten für die Beziehung zwischen den Regionalorganisationen und den Vereinten Nationen aufzustellen oder eine bestimmte Arbeitsteilung zu fordern. Es liegt jedoch auf der Hand, daß regionale Abmachungen oder Einrichtungen vielfach über Möglichkeiten verfügen, die im Dienste der in diesem Bericht dargelegten Aufgaben der vorbeugenden Diplomatie, der Friedenssicherung, der Friedensschaffung und der Friedenskonsolidierung in der Konfliktfolgezeit genutzt werden sollten. Nach der Charta obliegt dem Sicherheitsrat die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, und dies wird auch in Zukunft der Fall sein; indessen könnten regionale Maßnahmen im Sinne einer Dezentralisierung, Delegierung und Zusammenarbeit bei den Bemühungen der Vereinten Nationen nicht nur die Belastung des Sicherheitsrats mindern, sondern auch zu einem stärkeren Gefühl der Partizipation, des Konsenses und der Demokratisierung in den internationalen Beziehungen beitragen. 

65. In den vergangenen Jahrzehnten sind regionale Abmachungen und Einrichtungen nicht unter diesem Aspekt gesehen worden, selbst wenn sie ursprünglich zum Teil dazu vorgesehen waren, eine Rolle bei der Wahrung oder Wiederherstellung des Friedens innerhalb ihrer Weltregion zu übernehmen. Inzwischen wird jedoch erkannt, daß sie einen Beitrag zu leisten haben. Konsultationen zwischen den Vereinten Nationen und regionalen Abmachungen oder Einrichtungen könnten viel dazu beitragen, einen internationalen Konsens über das Wesen eines Problems und die zu seiner Lösung erforderlichen Maßnahmen herzustellen. Die Teilnahme der Regionalorganisationen an gemeinsamen Unternehmungen im Zuge einander ergänzender Anstrengungen mit den Vereinten Nationen würde Staaten außerhalb der Region ermutigen, dieses Vorgehen zu unterstützen. Und sollte der Sicherheitsrat eine regionale Abmachung oder Organisation ausdrücklich ermächtigen, sich an die Spitze der Bemühungen um die Lösung einer Krise innerhalb ihrer Region zu stellen, könnte das Prestige der Vereinten Nationen den regionalen Bemühungen größere Autorität verschaffen. Der hier dargelegte Ansatz könnte, soweit er im Geiste der Charta und wie in Kapitel VIII vorgesehen umgesetzt wird, verstärkt dazu beitragen, daß sich allgemein das Gefühl durchsetzt, daß bei der Aufgabe der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit die Demokratisierung auf allen Ebenen gefördert wird, wobei auch künftig anerkannt werden muß, daß die Hauptverantwortung nach wie vor beim Sicherheitsrat liegt. 


VIII. SICHERHEIT DES PERSONALS 

66. Wenn Personal der Vereinten Nationen in Konfliktsituationen zum Einsatz gelangt, sei dies zum Zwecke der vorbeugenden Diplomatie, der Friedensschaffung, der Friedenssicherung, der Friedenskonsolidierung oder zu humanitären Zwecken, so besteht die Notwendigkeit, seine Sicherheit zu gewährleisten. Die Zahl der Todesopfer ist in gänzlich unvertretbarer Weise angestiegen. In Irak sind nach der Vereinbarung einer Waffenruhe und zur Verhütung eines weiteren Aufflackerns von Gewalt Sicherheitskräfte der Vereinten Nationen zum Einsatz gebracht worden, um in labilen Verhältnissen Unterstützung zu gewähren. Ihre Anwesenheit bedeutete ein gewisses Maß an Sicherheit für das Personal und Material der Vereinten Nationen und brachte darüber hinaus ein beruhigendes und stabilisierendes Element zum Tragen, das ein Wiederaufleben des Konfliktes verhüten half. Je nach Art der Situation werden unterschiedlich gestaltete und zusammengesetzte Sicherheitseinsätze in Erwägung gezogen werden müssen. Mit zunehmender Vielgestaltigkeit und Schwere der Bedrohungen werden innovative Maßnahmen gefunden werden müssen, um die Gefahren für das Personal der Vereinten Nationen abzuwenden. 

67. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Anwesenheit einer Friedensoperation der Vereinten Nationen nicht immer ausreicht, um feindselige Handlungen zu verhindern. Der Dienst in Gefahrengebieten kann niemals gefahrlos sein; das Personal der Vereinten Nationen muß darauf gefaßt sein, daß es hin und wieder in gefährliche Situationen gerät. Der Mut, die Einsatzfreude und der Idealismus, den das Personal der Vereinten Nationen an den Tag legt, verdienen den Respekt der gesamten internationalen Gemeinschaft. Diese Männer und Frauen verdienen angemessene Anerkennung und Belohnung für die gefährlichen Aufgaben, die sie wahrnehmen. Ihre Belange und diejenigen ihrer Angehörigen müssen gebührend berücksichtigt und geschützt werden. 

68. In Anbetracht der dringenden Notwendigkeit, dem Personal der Vereinten Nationen, das sich unter lebensgefährlichen Bedingungen im Einsatz befindet, angemessenen Schutz zu gewähren, empfehle ich dem Sicherheitsrat, ernsthafte Betrachtungen darüber anzustellen, wie gegen diejenigen vorgegangen werden soll, die das Personal der Vereinten Nationen in Gefahr bringen, sofern er nicht überhaupt dafür optiert, die Präsenz der Vereinten Nationen zur Erhaltung der Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen sofort abzuziehen. Bevor eine Entsendung erfolgt, sollte sich der Sicherheitsrat die Möglichkeit offenhalten, von vornherein kollektive Maßnahmen in Erwägung zu ziehen - möglicherweise auch Maßnahmen nach Kapitel VII, wenn auch eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit gegeben ist -, die in Kraft treten, falls das Ziel des Einsatzes der Vereinten Nationen systematisch durchkreuzt wird und es zu Feindseligkeiten kommt. 


IX. FINANZIERUNG 

69. Zwischen den dieser Organisation übertragenen Aufgaben und den ihr zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln hat sich ein krasses Mißverhältnis aufgetan. Es ist einfach so, daß die sich eröffnenden Aussichten sich unserem Blick entziehen, solange unsere Finanzierung von kurzsichtigen Erwägungen bestimmt wird. Es gibt vor allem auf zwei Gebieten Anlaß zu Besorgnis: es sind dies die Funktionsfähigkeit der Vereinten Nationen auf längere Sicht, und ihre unmittelbaren Bedürfnisse, um auf Krisen reagieren zu können. 

70. Im Interesse einer Verbesserung der finanziellen Gesamtsituation der Vereinten Nationen hat mein verdienter Vorgänger die Aufmerksamkeit der Mitgliedstaaten wiederholt auf die zunehmend unmögliche Lage gelenkt, die entstanden ist, und hat während der sechsundvierzigsten Tagung der Generalversammlung eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet. Hierbei handelt es sich um folgende, der Versammlung nach wie vor vorliegende und von mir insgesamt gutgeheißene Vorschläge: 

Vorschlag eins: Annahme eines Maßnahmenpaketes zur Bewältigung der Liquiditätsprobleme, die durch den außergewöhnlich hohen Stand nicht entrichteter Beiträge verursacht werden, sowie des Problems unzureichender Betriebsmittelreserven: 

a) Erhebung von Zinsen auf die nicht rechtzeitig entrichteten Beitragsanteile; 

b) Aussetzung bestimmter Artikel der Finanzordnung der Vereinten Nationen, um die Einbehaltung von Haushaltsüberschüssen zu ermöglichen; 

c) Erhöhung des Betriebsmittelfonds auf 250 Millionen US-Dollar und Billigung des Grundsatzes, wonach der Umfang des Fonds etwa 25 Prozent der veranlagten Beiträge eines Jahres zum ordentlichen Haushalt betragen soll; 

d) Errichtung eines zeitlich befristeten, mit 50 Millionen Dollar dotierten Reservefonds für die Friedenssicherung, aus dem die Anlaufkosten von Friedensoperationen bis zum Eingang der Pflichtbeiträge gedeckt werden; 

e) Ermächtigung des Generalsekretärs, auf dem Markt Kredite aufzunehmen, falls andere Barmittelquellen nicht ausreichen sollten. 

Vorschlag zwei: Schaffung eines Revolvierenden Fonds für humanitäre Zwecke in der Größenordnung von 50 Millionen US-Dollar zur Verwendung in humanitären Notsituationen. Dieser Vorschlag ist inzwischen umgesetzt worden. 

Vorschlag drei: Schaffung eines Stiftungsfonds der Vereinten Nationen für Friedensaufgaben in einer angestrebten Höhe von zunächst 1 Milliarde US-Dollar. Der Fonds würde aus einer Kombination von veranlagten und freiwilligen Beiträgen gespeist, wobei in bezug auf letztere an Regierungen, den Privatsektor sowie an Einzelpersonen herangetreten würde. Sobald die angestrebte Mittelausstattung erreicht wäre, würde der Ertrag aus der Anlage des Grundkapitals zur Finanzierung der Anlaufkosten genehmigter Friedensoperationen, anderer Maßnahmen zur Konfliktlösung und verwandter Tätigkeiten verwendet werden. 

71. Zu diesen Vorschlägen sind in den letzten Monaten im Verlaufe der öffentlichen Diskussion noch weitere hinzugekommen. Darunter wären zu nennen: eine Abgabe auf Waffenverkäufe, die mit der Führung eines Waffenregisters durch die Vereinten Nationen in Verbindung gesetzt werden könnte; eine Abgabe auf den internationalen Luftreiseverkehr, der ja auf die Wahrung des Friedens angewiesen ist; Ermächtigung der Vereinten Nationen, bei der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds Kredite aufzunehmen - da Frieden und Entwicklung voneinander abhängig sind; eine allgemeine Steuerbefreiung für Beiträge an die Vereinten Nationen von Stiftungen, Unternehmen und Einzelpersonen; sowie Änderungen der Berechnungsformel für die Beitragstabelle für Friedensoperationen. 

72. Obzwar nunmehr Konzepte dieser Art zur Diskussion stehen, ist es doch unabweiswar, daß die finanziellen Grundlagen der Organisation täglich schwächer werden, wodurch ihr politischer Wille und ihre praktische Fähigkeit zur Durchführung neuer, wichtiger Maßnahmen schwer beeinträchtigt werden. Welche Entscheidungen über die Finanzierung der Vereinten Nationen auch immer getroffen werden mögen: In jedem Fall besteht die unausweichliche Notwendigkeit, daß die Mitgliedstaaten ihre Pflichtbeiträge vollständig und rechtzeitig entrichten. Tun sie dies nicht, so verstoßen sie gegen ihre Verpflichtungen nach der Charta. 

73. Unter diesen Umständen und in der Annahme, daß die Mitgliedstaaten bereit sein werden, Friedenseinsätze in einer Weise zu finanzieren, die ihrer gegenwärtigen, und begrüßenswerten Bereitschaft zu deren Schaffung entspricht, empfehle ich folgendes: 

a) die sofortige Einrichtung eines revolvierenden Reservefonds für Friedenssicherungsmaßnahmen in Höhe von 50 Millionen Dollar; 

b) eine Einigung darüber, daß die Generalversammlung ein Drittel der geschätzten Kosten jeder neuen Friedensoperation bewilligt, sobald der Sicherheitsrat die Schaffung der Operation beschließt; dies gäbe dem Generalsekretär die notwendige Vollmacht, Mittelbindungen einzugehen, und würde eine ausreichende Liquidität sicherstellen; die restlichen Kosten würden bewilligt, nachdem die Generalversammlung den Haushalt der Operation genehmigt hat; 

c) seitens der Mitgliedstaaten die Anerkennung der Tatsache, daß bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, politische und operative Überlegungen es möglicherweise erforderlich werden lassen, daß der Generalsekretär seine Befugnis zur Auftragsvergabe ohne Ausschreibung wahrnimmt. 

74. Die Mitgliedstaaten wünschen, daß die Organisation mit höchster Effizienz und Sorgfalt verwaltet wird. Damit bin ich voll und ganz einverstanden. Ich habe wichtige Maßnahmen zur Rationalisierung des Sekretariats getroffen, mit dem Ziel, Doppelarbeit und Überschneidungen zu vermeiden und gleichzeitig die Produktivität zu erhöhen. Weitere Veränderungen und Verbesserungen stehen noch bevor. Was das System der Vereinten Nationen im weiteren Sinn angeht, so prüfe ich die Sachlage auch weiterhin im Benehmen mit meinen Kollegen im Verwaltungsausschuß für Koordinierung. Die Frage der Gewährleistung der finanziellen Sicherheit der Vereinten Nationen auf lange Sicht ist von so großer Wichtigkeit und Komplexität, daß es notwendig ist, sie der Öffentlichkeit vermehrt ins Bewußtsein zu rücken und ihre stärkere Unterstützung zu gewinnen. Ich habe daher eine ausgewählte Gruppe qualifizierter Personen von hohem internationalen Ansehen gebeten, diesen gesamten Themenkomplex zu prüfen und mir Bericht zu erstatten. Ich beabsichtige, ihren Rat zusammen mit meinen Stellungnahmen der Generalversammlung zur Behandlung zu unterbreiten, wobei mir die besondere Verantwortung, welche die Versammlung kraft der Charta für Finanz- und Haushaltsfragen besitzt, voll bewußt ist. 


X. AGENDA FÜR DEN FRIEDEN 

75. Den Ländern und Völkern der Vereinten Nationen ist ein glückliches Geschick gegeben, das denen des Völkerbundes nicht beschert war. Wir haben im Gegensatz zu ihnen eine zweite Chance erhalten, die Welt im Sinne unserer Charta zu gestalten. Das Ende des Kalten Krieges hat uns vom Rande einer Konfrontation zurückgebracht, welche die Welt bedroht und unsere Organisation allzuoft gelähmt hat. 

76. Doch selbst während wir uns über die wiedergewonnenen Möglichkeiten freuen, müssen wir darauf bedacht sein, daß uns die vergangenen vier Jahrzehnte eine Lehre waren und daß wir die gleichen Fehler, oder Variationen derselben, nicht noch einmal wiederholen. Denn es mag für unseren Planeten, der nunmehr aus anderen Gründen nach wie vor in Gefahr schwebt, nicht noch eine dritte Chance geben. 

77. Die vor uns liegenden Aufgaben erfordern die Kräfte und die Zuwendung aller Teile des Systems der Vereinten Nationen, der Generalversammlung und der anderen Hauptorgane, der Organisationen und Programme. In einer ausgewogenen Ordnung kommt jedem dieser Teile eine Rolle und eine Aufgabe zu. 

78. Nie wieder darf der Sicherheitsrat die Kollegialität verwirken, die für seine richtige Arbeitsfähigkeit so unverzichtbar ist und die er erst nach so schweren Prüfungen erworben hat. Ein aus einer gemeinsamen Interessenlage erwachsendes Gefühl wirklichen Einvernehmens muß seine Arbeit prägen, keine Vetodrohung und nicht die Macht der einen oder anderen Staatengruppe. Daraus folgt, daß ein Einvernehmen unter den ständigen Mitgliedern auch die weiterreichende Unterstützung der anderen Ratsmitglieder und der Mitglieder insgesamt finden muß, wenn die Beschlüsse des Rates wirksam sein und Bestand haben sollen. 

79. Das Gipfeltreffen des Sicherheitsrates am 31. Januar 1992 bot eine einzigartige Gelegenheit zum Meinungsaustausch und zur Festigung der Zusammenarbeit. Ich empfehle den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Rates, alle zwei Jahre kurz vor Beginn der Generaldebatte in der Generalversammlung zusammenzutreten. Bei solchen Zusammenkünften könnte ein Austausch über die Herausforderungen und Gefahren der gegenwärtigen Zeit stattfinden, und aus ihnen könnten Anregungen darüber hervorgehen, wie die Vereinten Nationen am besten dazu beitragen könnten, den Wandel in friedliche Bahnen zu lenken. Ich schlage darüber hinaus vor, daß der Sicherheitsrat, wann immer die Situation dies rechtfertigt, auch künftig auf Außenministerebene zusammentritt, wie er dies in den vergangenen Jahren erfolgreich getan hat. 

80. Macht bringt besondere Verantwortlichkeiten, aber auch Versuchungen mit sich. Wenn die Vereinten Nationen Erfolg haben sollen, müssen die Mächtigen den zweifachen, aber gegensätzlichen Verlockungen des Unilateralismus und Isolationismus widerstehen. Denn ebenso wie Unilateralismus auf globaler oder regionaler Ebene das Vertrauen der anderen erschüttern kann, so kann Isolationismus, ob er nun einer politischen Entscheidung oder verfassungsbedingten Umständen entspringt, das globale Vorgehen schwächen. Friede im Inneren und die dringende Aufgabe des Wiederaufbaus und der Stärkung unserer jeweiligen Gesellschaften setzen äußeren Frieden und Zusammenarbeit zwischen den Nationen voraus. Soll diese neue Chance genutzt werden, dann werden die Anstrengungen der Vereinten Nationen den vollsten Einsatz aller ihrer - großen und kleinen - Mitglieder verlangen. 

81. Demokratie in den Beziehungen zwischen den Nationen erfordert die in der Charta vorgeschriebene Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten. Gleichzeitig erfordert sie ein tieferes Verständnis und tiefere Achtung für die Rechte von Minderheiten sowie Achtung für die Bedürfnisse der exponierteren Gruppen der Gesellschaft, insbesondere der Frauen und Kinder. Dies ist nicht allein eine politische Frage. Die für ein produktives Wachstum notwendige soziale Stabilität entsteht aus Bedingungen, in denen die Menschen frei ihren Willen zum Ausdruck bringen können. Hierfür sind starke innerstaatliche Einrichtungen der Mitbestimmung unverzichtbar. Sie zu fördern bedeutet gleichzeitig, die Emanzipation der nicht in Interessengemeinschaften Zusammengeschlossenen, der Armen und der Randgruppen zu fördern. Um dies zu erreichen, sollten die Vereinten Nationen ihr Hauptaugenmerk auf "das Feld" richten, auf die Orte, an denen die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entscheidungen in die Tat umgesetzt werden. Zu diesem Zweck treffe ich Maßnahmen zur Straffung und in einigen Fällen Zusammenlegung der verschiedenen Programme und Organisationen der Vereinten Nationen in bestimmten Ländern. Der jeweils höchstrangige Beamte der Vereinten Nationen in einem Land sollte darauf vorbereitet sein, erforderlichenfalls und mit Zustimmung der Behörden des Gastlandes in Angelegenheiten von besonderem Belang als mein Beauftragter zu fungieren. 

82. Demokratie innerhalb der Völkerfamilie bedeutet die Anwendung demokratischer Grundsätze innerhalb der Weltorganisation selbst. Dies verlangt von allen Staaten, ob groß oder klein, ein Höchstmaß an Konsultation, Partizipation und Einsatz, was die Arbeit der Vereinten Nationen angeht. Alle Organe der Vereinten Nationen müssen die volle ihnen zugewiesene Rolle wahrnehmen dürfen und wahrnehmen, damit ihnen das Vertrauen aller Länder und Völker erhalten bleibt und sie dasselbe verdienen. Die Grundsätze der Charta müssen konsequente, nicht selektive Anwendung finden, denn sollte der Eindruck entstehen, daß letzteres der Fall ist, wird das Vertrauen und damit die moralische Autorität schwinden, die der größte und einzigartigste Wert dieses Vertragswerkes ist. Demokratie auf allen Ebenen ist unentbehrlich, damit Frieden für ein neues Zeitalter des Wohlstandes und der Gerechtigkeit herbeigeführt werden kann. 

83. Vertrauen entsteht auch aus dem sicheren Gefühl heraus, daß die Weltorganisation rasch, entschieden und unparteilich reagieren wird und sich nicht durch politischen Opportunismus oder durch administrative oder finanzielle Unzulänglichkeiten schwächen läßt. Dies setzt einen starken, leistungsfähigen und unabhängigen internationalen öffentlichen Dienst voraus, dessen Integrität außer Zweifel steht, sowie eine gesicherte finanzielle Grundlage, die die Organisation ein für alle Mal der Bettelei enthebt, zu der sie sich jetzt noch herablassen muß. 

84. Wenn es auch von allergrößter Wichtigkeit ist, daß jedes der Organe der Vereinten Nationen seine Fähigkeiten in der in der Charta vorgesehenen ausgewogenen und ausgeglichenen Weise zum Einsatz bringt, so kann doch der Friede im weitesten Sinne nicht von den Vereinten Nationen oder von Regierungen allein geschaffen werden. Nichtstaatliche Organisationen, Bildungseinrichtungen, Parlamentarier, die Geschäftswelt und Berufsorganisationen, die Medien und die breite Öffentlichkeit müssen ebenso daran teilhaben. So wird die Weltorganisation in der Lage sein, den Belangen und Interessen aller derjenigen, die in ihr vertreten sind, besser gerecht zu werden, und diejenigen, die sich von nun an stärker engagieren, können die Initiativen der Vereinten Nationen bekannt machen und zu einem tieferen Verständnis ihrer Tätigkeit beitragen. 

85. Reform ist ein fortlaufender Prozeß, und Verbesserungen dürfen keine Grenzen gesetzt sein. Dennoch besteht die Erwartung, die ich erfüllt sehen möchte, daß die zur Zeit stattfindende Erneuerung dieser Organisation bis 1995, dem Jahr ihres fünfzigjährigen Bestehens, abgeschlossen sein soll. Das vorgegebene Tempo muß daher beschleunigt werden, wenn die Vereinten Nationen mit dem für unsere Zeit charakteristischen, immer schnelleren Ablauf der Geschichte Schritt halten wollen. Wir dürfen uns nicht alleine von Präzedenzien leiten lassen, gleichviel, wie weise diese gewesen sein mögen, sondern von den Anforderungen der Zukunft und von der Gestalt und dem Inhalt, den wir ihr geben möchten. 

86. Ich bin entschlossen, einen umfassenden Dialog zwischen den Mitgliedstaaten und dem Generalsekretär herbeizuführen. Ebenso bin ich entschlossen, ein volles, offenes Zusammenspiel aller Institutionen und Teilbereiche der Vereinten Nationen zu fördern, nicht nur, damit den Zielen der Charta besser gedient ist, sondern auch, damit die Organisation über die Summe ihrer Teile hinauswächst. Den Vereinten Nationen wurde bei ihrer Gründung eine große, kühne Zielsetzung mit auf den Weg gegeben. Jetzt ist es an der Zeit, daß die ihnen angehörenden Länder und Völker und die ihnen dienenden Männer und Frauen, den Augenblick nutzen - der Zukunft wegen. 


Anmerkungen Siehe S/23500, Erklärung des Präsidenten des Rates, Abschnitt "Friedensstiftung und Friedenssicherung".Resolution 37/10 der Generalversammlung, Anlage.
Resolution 43/51 der Generalversammlung, Anlage.
 

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