Auf den Spuren der Nazis im Internet. Ein Selbstversuch

Seitdem die Seite "Heil-Hitler.de" vom Netz genommen wurde, richtet sich der Blick von Medien, Politikern und Verfassungsschützern aufs WWW. Doch wie zugänglich sind die rechten Inhalte im Netz wirklich? Können sich ein Schüler aus Brandenburg, ein Lehrling aus der Pfalz oder ein Politiker aus Bayern gleichermaßen Zugang zu faschistischen Inhalten im Netz verschaffen? politik-digital machte den Selbstversuch und schickte drei unvorbelastete Redakteure auf die Suche nach den Nazis im Netz. Unser Fazit: Sie sind antidemokratisch, verfassungsfeindlich, jugendgefährdend - und sehr gut versteckt.

 

Der Test: 12 x 5=6 ?

In unserem informellen Test gaben wir 12 gängige Propagandabegriffe in 5 Suchmaschinen ein: yahoo!, web.de, google.com, altavista.de und fireball.de. Die gleichen Begriffe probierten wir auch über die direkte Suche aus. Nur sechsmal insgesamt spuckten die Suchmaschinen Nazi-Sites auf den ersten 20 Plätzen aus. Unter www.hitleradolf.de trifft man auf eine Datenbank mit Unfallfahrzeugen und Jung-Nazis, die unter dem Namen des Propagandaministers Goebbels harte Inhalte vermuten, werden mit Bären- und Diddel-Bildchen überrascht. Unter dem Suchbegriff "Drittes Reich" verbergen sich honorige Münz- und Briefmarkensammler, das Suchwort "Auschwitz-Lüge" führt in den meisten Suchmaschinen zunächst zu Nizkor, wo über die absurden Argumente der Auschwitz-Leugner aufgeklärt wird.

Jungnazis, die in die Suchmaschinen Begriffe wie "Joseph Goebbels", "Reichskristallnacht" oder "Auschwitz" eingeben, haben gute Chancen, sich mit Hilfe von reichhaltigem antifaschistischen Material eines Besseren belehren zu lassen. Die meisten Seiten, auf die man trifft, wenn die Suchmaschinen mit rechtem Vokabular gefüttert werden, sind politisch äußerst korrekte Forschungsprojekte, antifaschistische Zusammenschlüsse, organisierte Nachkommen von Auschwitz-Opfern. Jüdische Initiativen wie die shoa.de erreichen eine bessere Trefferquote als schlichte Nazi-Schüttelreime, die mit pseudo-Volksmelodien unterlegt sind. In einigen Fällen gelang es durch vier bis fünf Verweise schließlich auf einer Seite mit rechtsradikalem Hintergrund zu stranden: auf der Skinseite Whitepride.comoder resistance.radio.com landeten die Test-Surfer erst über mehrere Links. Wer direkt auf Seiten mit faschistischen Inhalten kommen möchte, muss schon etwas erfinderisch oder entsprechend informiert sein.

Natürlich ist die Zahl der Seiten mit rechtsextremen Inhalten insgesamt bedeutend höher einzuschätzen als unser Test auf den ersten Blick zu sagen scheint. Aktuelle Zählungen belaufen sich auf ungefähr 300 deutsche Seiten mit faschistischem Hintergrund. Jedoch, nur durch die Eingabe anstößiger Domainnamen ins Netz oder in Suchmaschinen sind die braunen Seiten des Netzes nicht zu finden.

Versteckt, verschwunden oder verlinkt

Viele der anstößigen Seiten verbergen sich nämlich hinter Namen, die nicht aus dem gängigen Register der Propagandabegriffe stammen. Wer jedoch eine Adresse kennt, befindet sich schnell mittendrin. Die Seiten sind untereinander optimal verlinkt, was den Verdacht auf ausgedehnte Netzwerke mit gut ausgebildeten Kommunikationsstrukturen bestätigt. Auf den Seite des Thulenets.com beispielsweise finden sich zahllose Links zu faschistischen Webangeboten in aller Welt. Diese "Schlüsseladressen" sind oft auf Linklisten zum Thema Rechtsradikalismus zu finden, die keinen dezidiert radikalen Hintergrund haben. Bei der Begriffssuche unter dem Stichwort "nazi" oder "nazis" werden meist zwei Angebote an relativ prominenter Stelle geführt. http://www.burks.de ist die Hompage von Burkhard Schroeder, einem dem linken Spektrum zuzuordnenden Journalisten, der sowohl anti- wie auch faschistische Links führt.

Die andere gut bestückte Linkliste findet sich unter www.nazis.de, eine Seite die verwirrend mit rechten Propagandabegriffen operiert. Domainname und Aufmachung sollen Rechtsradikale auf die Seite locken und zum Verweilen bewegen. Das "Diskussionsforum für und mit Rechtsradikalen" hat sich den Dialog zum Ziel gesetzt. Die Macher sind Menschen verschiedenster Berufszweige aus ganz Deutschland, die sich ehrenamtlich in den Mail-Diskussionen mit Rechtsradikalen auseinandersetzen. Die Fäden dieser Site laufen beim Berliner Rabanus-Verlag zusammen. Die Unternehmerinitiative befolgt eine einfache Marketingstrategie: Die Leute da abholen, wo sie sind.

Markus Rabanus, einer der Initiatoren, hält die Seite, die mit großer Deutschlandfahne und Begriffen wie "Stolz und Scham" und "Heil Hitler" aufwartet, für sehr erfolgreich. Nachdem er 1998 festgestellt hatte, dass täglich rund 300 Eingaben unter www.nazis.de erfolgen, beschloss er diese und andere anstößige Domainnamen zu kaufen. Sein größter Coup war in diesem Zusammenhang der Erwerb von www.thulenet.de, dass nun ein Forum für ausgestiegene Ex-Nazis bietet. Ein Schachzug, der die faschistischen Macher von thulenet.com nicht gefreut hat. Das Dialogangebot von nazis.de trifft nicht bei allen auf Gegenliebe. Die Seite der Initiative läuft gegenwärtig aus Sicherheitsgründen über 20 Server. Attacken von rechts gibt es auch im Netz.

Déja vu

Auch wenn die Nazi-Sites nicht immer offen in der Netzstruktur liegen, stellen sich beim geübten Surfer gewisse Wiedererkennungseffekte ein. Adressen oder Linkzusammenhänge, die häufig auftauchen, lassen auf den Grad der Zusammenarbeit schließen. Mehr oder weniger harmlos klingende Domainnamen, die mit gewissen Zahlenkombinationen verknüpft sind, machen nach einer Weile misstrauisch: Die Zahl 88 steht für "Heil Hitler", weil das H der achte Buchstabe im Alphabet ist. Die 18 ist dementsprechend ein für "Adolf Hitler" verwandtes Kürzel. So verbirgt sich hinter combat18.de eine getarnte Nazisite, die zunächst durch Abspielen der Nationalhymmne, später durch die eindeutige Linkliste Rückschlüsse auf die Gesinnung der Macher zulässt.

Viele der offensichtlichen Seiten sind in den letzten Tagen lahmgelegt worden, so beispielsweise www.propatria.org oder www.nationalisten.de, andere sind innerhalb weniger Tage aus den Listen der Suchmaschinen verschwunden. Erhielten wir noch vor kurzem bei Fireball mit dem Suchbegriff "nazi" eine Propaganda-Seite mit dem Namen Rudolf-Hess.com auf Platz 29, erreichten wir die Seite fünf Tage später nur noch über die direkte Adresseingabe. Offensichtlich folgen diesmal den politischen Appellen tatsächlich Taten. Der Sinn solcher einzelnen Aktionen ist allerdings streitbar.

Analoge Gefahr im Netz

Trotz der oft unerfreulichen Surfausflüge in rechte Nischen und Niederungen stellte unser Testteam fest: Das Netz ist nicht "rechts" und die Neonazi-Szene nicht digital. Aber die Gefahr von rechts im Netz gibt dem traurigen Phänomen der ewig Gestrigen eine neue Facette. Dass die meisten Seiten gut verborgen operieren macht es nicht besser, im Gegenteil. Ob das Internet allerdings zur braunen Breitenkommunikation taugt, ist fraglich. Zumindest darf nicht der Fehler begangen werden, das Problem der Ausländerhetze und nationalen Engstirnigkeit offiziell ins Netz zu verlagern und in der analogen Welt nicht ausreichend zu beachten. Die neonazistischen Kreise, so Markus Rabanus vorsichtig, verfügen nicht flächendeckend über Möglichkeiten mit dem Internet zu operieren. Fehlendes mediales Know-how und die Sehnsucht nach "echter Gemeinschaft" in Nazi-Kreisen legen den Schluss nahe, dass im Internet die Kader der Szene operieren. Die reale antifaschistische Arbeit vor Ort kann durch die Sperrung von Domainnamen keinesfalls ersetzt werden.

Verbieten oder unterwandern, diskutieren oder totschweigen - über den richtigen ideellen Umgang mit den braunen Seiten wird gestritten. Der in der westlichen Welt des vernetzten 21. Jahrhunderts vorherrschende Diskurs der Integration und Toleranz macht uns den Umgang schwer. Denn die Nazis verweigern sich diesen Prämissen prinzipiell. Mit dem Verbot von Meinungen und Gesinnungen ist das Prinzip unseres Rechtsstaates, selbst wenn es sich um Volksverhetzung handelt, auf die Probe gestellt. Die digitalen Faschisten nutzen die globalen Strukturen des Netzes zum Aufbau ihres eigenen Netzwerkes. Ironie der globalen Schicksalsgemeinschaft, dass diese Menschen gerade die Internationalität und Globalisierung als ärgste Feinde bekämpfen.